Pandemiejahre 2020/21 - Teil 1
- titanja1504
- 27. Dez. 2022
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 18. Juni 2023
(DE) „Komm rüber, er spricht jetzt!“ Mit diesen Worten holt mich die Betreuerin der Flüchtlinge in der Gemeinschaftsunterkunft aus dem Schulungsraum in ihr Büro. An diesem Morgen ist merkwürdigerweise keine einzige meiner Deutschschülerinnen zum Kurs erschienen, nicht einmal die zuverlässige Dschamila aus Afghanistan, die als 60-jährige Analphabetin sich allergrößte Mühe gibt, sprechen und schreiben in einer völlig fremden Sprache zu lernen.
16. März 2020 in Bayern
Zu dritt sitzen wir gespannt um das Radio und warten auf die Stimme des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, der uns über die Lage in Bayern bzw. Deutschland informieren und Maßnahmen bekannt geben will.
Das Radio, auf das wir starren, ist kein „Volksempfänger“ und wir leben auch nicht in den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, aber wie wir da so sitzen und gebannt den entschlossenen Worten eines Politikers lauschen, verschwimmen die zeitlichen Konturen und ich fühle mich in eine Zeit zurück versetzt, die ich gar nicht erlebt habe, die ich nur aus Filmen und Erzählungen kenne. Menschen scharen sich zum Zeitpunkt von Hitlers Reden um ihren „Volksempfänger“, um vom Kriegsbeginn- bzw. -fortschritt zu erfahren und den Parolen, der Propaganda zu lauschen.
An diesem denkwürdigen 16. März 2020 um 11 Uhr in Deutschland, genauer gesagt in Bayern, geht es nicht um Krieg und Propaganda, sondern um das Heranrollen einer Pandemie ungeahnten Ausmaßes. Das Coronavirus Covid-19 ist in den Augen der Politiker im Frühling 2020 außer Kontrolle. Gegensatz zum Vereinigten Königreich werden verbindliche, gesetzliche Maßnahmen ergriffen.
Der bayerische Ministerpräsident ruft für Bayern den Katastrophenfall aus. Kontakt- bzw. Ausgangsbeschränkungen, Verbot von Veranstaltungen, Schließung von Gaststätten sowie des Einzelhandels, außer derjenigen Läden, die der lebensnotwendigen Versorgung dienen, Schließung der Schulen und Ende des Präsenzunterrichts und dergleichen Maßnahmen mehr.
Wir sind still und geschockt und völlig unerfahren im Umgang mit solchen Nachrichten. Keine von uns hat eine Meinung zu dem Gehörten. Niemand ahnt, was noch kommen könnte und was dann tatsächlich kam.
Chronologie des Beginns
27. Januar 2020 – erste Infektionsfälle bei „Webasto“ in Stockdorf bei München
16. März 2020 – 1.477 neue Fälle / 7 Tage-Mittelwert 871
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder ruft den Katastrophenfall aus: Ausgangsbeschränkungen, Schließungen, Kontaktverbote, ….. Shutdown.
18. März 2020 – 3.070 neue Fälle / 7 Tage-Mittelwert 1488
Fernsehansprache der Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Es ist ernst. Seit der Deutschen Einheit, nein, seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Herausforderung an unser Land mehr, bei der es so sehr auf unser gemeinsames solidarisches Handeln ankommt. Dies ist eine historische Aufgabe – und sie ist nur gemeinsam zu bewältigen.“
02. April 2020 – 6.922 neue Fälle / 7 Tage-Mittelwert 5.837 (Höhepunkt)
13. Juni 2020 – 41 neue Fälle / 7 Tage-Mittelwert 260 (Tiefpunkt)
Quelle: JHU CSSE COVID-19 Data
Geheimsache Corona - Chinas Umgang mit dem Virus
Ich bin bei meinen Recherchen zum Beginn der Corona-Pandemie auf eine interessante Dokumentation auf ZDFinfo gestoßen mit dem Titel „Geheimsache Corona – Wie China die Pandemie vertuschte“.
Laut dieser Dokumentation sei am 01.12.2019 in Wuhan ein 70-jähriger Mann mit einer schweren Lungenentzündung ungeklärter Ursache ins Krankenhaus eingewiesen worden. Am 11.12.2019 habe es bereits 70 bis 200 Erkrankungen mit milden Verläufen gegeben. In einem Labor sei das Virus, das die Lungenkrankheit verursacht habe, untersucht worden und am 26.12.2019 seien die behandelnden Ärzte, das Krankenhaus, die Staatliche Akademie für Medizin und das Zentrum für Seuchenkontrolle in Peking darüber informiert worden, dass es sich um ein neues Coronavirus handele.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt beginnt, wie jede Recherche im Internet ergibt, die Vertuschung durch die chinesischen Behörden. Es werden Fallzahlen gefälscht, Ärzte verwarnt, Journalisten zensiert, Krankenhäuser angewiesen, Fälle zu melden, aber nichts öffentlich zu machen, daher auch vermutlich das Verbot für die Mitarbeiter Masken zu tragen. Chinesische Virologen erklären, das Virus sei nicht ansteckend, werde nicht von Mensch zu Mensch übertragen.
Ein Forscher in Shanghai habe, so die o.g. Dokumentation, am 06.01.2020 die Gensequenz entschlüsselt und die Ähnlichkeit mit SARS bestätigt. Aber die Erkenntnis wird nicht mit der Welt geteilt. Erst am 11.01.2020 habe sich der chinesische Wissenschaftler entgegen seiner Anweisung entschlossen, die Genomsequenz an seine Kollegen außerhalb Chinas weiterzugeben, damit an Test, an der Impfstoffentwicklung und an Maßnahmen zur Eindämmung gearbeitet werden könne.
Wie alle Regierungen wäre auch China verpflichtet gewesen, das Auftreten des Virus, das Ausmaß der Epidemie sowie die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf zu melden. In o. g. Dokumentation wird deutlich gemacht, dass die WHO mit China schon früher schlechte Erfahrungen hinsichtlich der Informations- bzw. Vertuschungspolitik gemacht hat. Dennoch hat die WHO ihre Bedenken nicht veröffentlicht, hat nicht Alarm geschlagen, sondern lediglich die Informationen aus China wiederholt.
China hat am 31.12.2019 die WHO über Fälle von Lungenentzündung mit unbekannter Ursache informiert. Erst fast zwei Wochen später, nachdem die Genomsequenz von dem chinesischen Wissenschaftler an seine Kollegen auf der ganzen Welt inoffiziell weitergegeben worden war, sah sich sich die chinesische Regierung gezwungen, offiziell die Genomsequenz ebenso zu veröffentlichen, die Klarheit über das Bedrohungspotenzial schafft.
Mitte Januar 2020 sind jedenfalls so viele Informationen auf dem Tisch der Wissenschaftler, dass das Potenzial einer Pandemie eindeutig erkennbar ist. In China aber reisen die Menschen zu ihren Familien, um das Frühlings- und Neujahrsfest mit ihnen zu feiern, während Wuhan in den Lockdown geht.
Niemand glaubt an eine größere Gefahr
Am 27. Januar 2020 tauchten bei der Firma „Webasto“ in Stockdorf, südlich von München, erste Infektionsfälle mit dem Coronavirus Covid-19 auf. Eine chinesische Mitarbeiterin, die problemlos hatte einreisen und wieder ausreisen können, hatte die Kollegen während einer Fortbildung infiziert. Zu diesem Zeitpunkt beunruhigte das in Deutschland die Betroffenen, aber nicht wirklich die Regierenden oder gar die Bevölkerung.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärt:
„Es war zu erwarten, dass das Virus auch Deutschland erreicht. Der Fall aus Bayern zeigt aber, dass wir gut darauf vorbereitet sind. Die Gefahr für die Gesundheit der Menschen in Deutschland durch die neue Atemwegserkrankung aus China bleibt nach Einschätzung des RKI weiterhin gering.“
Immerhin werden am 01. Februar 2020 100 Rückkehrer aus Wuhan vorsichtshalber 15 Tage lang isoliert und Jens Spahn sieht für sich das Risiko, „übertrieben vorsichtig“ genannt zu werden und nimmt es bewusst in Kauf.
Wie auch immer, für die meisten Deutschen ist China weit weg und daher war die Nachricht von einem neuen Virus, das in Wuhan grassiert, nicht weltbewegend im wahrsten Sinne des Wortes. Zwar vereinbaren die Gesundheitsminister der EU und der G7-Staaten eine intensivere Zusammenarbeit, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern, aber konkrete Pläne, wie man eine Pandemie verhindern kann, liegen wohl nicht in den Schubladen der nationalen Regierungen bzw. der EU und das Robert-Koch-Institut schätzt die Gefahr für die deutsche Bevölkerung am 12. Februar 2020 noch als gering ein.
Vier Wochen später – historische Herausforderung
Die WHO erklärte am 11. März 2020 das Infektionsgeschehen zur Pandemie. Ab 16. bzw. 18. März 2020 waren sich sowohl die Länder- wie auch die Bundesregierung einig, dass die Pandemie nur mit strikten Maßnahmen in den Griff zu bekommen sei.
Besonders gefürchtet war die Überlastung der Krankenhäuser und eine signifikante Übersterblichkeit speziell bei den alten Menschen.
Bilder aus Norditalien, das regelrecht von der Pandemie überrollt wurde, erschreckten sowohl Politiker wie auch die Bevölkerung in Deutschland. Die Krankenhäuser konnten die Intensivpatienten kaum mehr versorgen und die Toten mussten in Lastwägen der Armee abtransportiert werden.
In Deutschland/Bayern versuchte man daher mit Verordnungen über Infektionsschutzmaßnahmen die Pandemie einzudämmen:
Veranstaltungen und Versammlungen, auch von allen Glaubensgemeinschaften, werden untersagt.
Mindestabstand in Parks und Grünanlagen von 1,5 m ist einzuhalten.
Einrichtungen, die der Freizeitgestaltung dienen, müssen schließen.
Gastronomiebetriebe dürfen nur noch Speisen und Getränke zur Abholung bereitstellen oder liefern. Ausnahmen können nur von Betriebskantinen unter bestimmten Voraussetzungen beantragt werden.
Hotels und andere Beherbergungsbetriebe dürfen nur noch Geschäftsreisende aufnehmen.
Ladengeschäfte des Einzelhandels müssen schließen, bis auf diejenigen, die die lebensnotwendige Versorgung der Bevölkerung sicherstellen. Also vom Lebensmittelgeschäft über Apotheken und Tankstellen bis hin zu Post, Tierbedarf und Reinigung.
Der Mindestabstand muss eingehalten werden und die Anzahl der Personen ist ebenfalls begrenzt.
Es gibt ein Betretungs- und Besuchsverbot in Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen der Pflege und Betreuung.
Schulen werden geschlossen, lediglich ein Betreuungsangebot für dringend notwendige Fälle soll eingerichtet werden.
Man darf das Haus nur aus dringend notwendigen Gründen verlassen.
Man darf sich nur mit einer Person außerhalb des eigenen Haushaltes und nur mit Abstand treffen.
Aber jedes Bundesland hatte seine eigene Strategie.

Die Welt kennt zwar den Nutzeffekt von Masken, aber noch ist deren Einsatz nicht geplant. (TA)
Links zu weiteren Beiträgen zum Thema:
Pandemiejahre 2020/21 - Teil 1
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