Pandemiejahre 2020/21 - Teil 4: Unendliche Pandemie
- titanja1504
- 8. Dez. 2022
- 21 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 18. Juni 2023
November 2020 bis November 2021
(DE) Diese ca. zwölf Monate vom Spätherbst 2020 bis November 2021 verschwimmen in meiner Erinnerung zu einem Brei an Infektionszahlen, die sich als zweite, dritte und vierte Welle immer höher auftürmen. Das Leben allerdings scheint ohne Höhepunkte zu sein und dafür voller Tiefpunkte und enttäuschter Hoffnungen auf eine noch so kleine Urlaubsreise, auf einen Besuch von und bei Freunden, auf die Leichtigkeit des Sommers und das Ende der Pandemie. Sollte ich diesem Jahr eine Farbe zuordnen, so würde ich Grau wählen. Müsste ich ein Gefühl als vorherrschend benennen, so wäre es Antriebslosigkeit oder auch Tristesse. Meine Gedankengänge in dieser Zeit mündeten oft in der Frage, ob dieser beschränkte Zustand mich nun die restlichen paar Jahre meines Lebens begleiten würde. Mein analytischer Verstand arbeitete sich an der Ignoranz und häufig auch an der Unentschlossenheit und Untätigkeit der Politiker ab und drohte an der Dummheit einer wild gewordenen Minderheit unter meinen Mitbürgern und Mitbürgerinnen zu verzweifeln. Immer wieder hatte ich das Gefühl, in einer Zeitschleife gefangen zu sein, denn bestimmte Erfahrungen und Situationen schienen sich ständig zu wiederholen wie auch die Parolen der Wissenschaftler und der politisch Verantwortlichen.
Während ich im Frühling 2020, als die Pandemie begann, noch neugierig auf die Entwicklung war, über Viren und Pandemiebewältigung eine Menge lernte, mit Hilfe der modernen Technologie einen regen Austausch mit Freunden pflegte, der oft mit Humor gewürzt war, und bereit war, dies alles als neue, lehrreiche Erfahrung zu verbuchen, schwand im Laufe des Jahres 2021 die Hoffnung auf ein Ende dahin. Ich war, wie viele andere auch, zermürbt vom Auf und Ab der Infektionszahlen, der Öffnungen und erneuten Lockdowns, von Maßnahmen der Bundes- und Länderregierungen und deren Zurücknahme durch die Verantwortlichen selbst oder durch Verfassungsgerichte, von den Warnungen der Virologen und dem Abwarten der Regierungsvertreter.
Von diesen Erfahrungen möchte ich in diesem Teil 4 meiner Pandemie-Erfahrungen erzählen und beginne mit ein paar Eckdaten:
Vom 20. Oktober 2020 bis zum 08. Juni 2021 wurde niemals der Höhepunkt der ersten Welle (April 2020 gab es über 72.000 aktive Fälle/Infektionen) unterschritten.
Am Höhepunkt der sogenannten zweiten Welle, am 24. Dezember 2020, waren es über 400.000. Im Wellental am 02. März 2021 wurden über 126.000 Infektionen gezählt.
Diesem kurzen Tiefstand folgte recht schnell ein neuer Höhepunkt am 25. April 2021 mit gut 322.000 aktiven Fällen. (Quelle: John Hopkins Universität)
Am 15. November 2021 zählte man 476.000 aktive Corona-Fallzahlen in Deutschland. Ein neuer Höchststand und der Winter hatte erst begonnen.
Die Grafik von statista.com (s.u.) veranschaulicht die beschriebene Entwicklung und verschafft einen Überblick.
Diese Zahlen zeigen, dass es in diesem Zeitraum niemals eine wirkliche Entspannung gab, dass die Infektionszahlen von Welle zu Welle immer höher wurden, teilweise auch der neuen Mutation, Delta-Variante genannt, geschuldet.
Es gab zu keinem Zeitpunkt wirklich Hoffnung auf ein Ende der Pandemie.
Rückblick auf die Ereignisse ab Spätherbst 2020
Im November 2020 fragten sich viele, wieso während des Sommers keine Planung für Herbst und Winter stattgefunden hatte. War den politisch Verantwortlichen nicht klar, dass das Virus keineswegs ausgerottet war, dass mit dem Herbst die Infektionszahlen wieder steigen würden und die Medizin dem noch nichts entgegenzusetzen hatte. Die Wissenschaftler standen noch mit leeren Händen da und mahnten Vorsichtsmaßnahmen, Kontaktbeschränkungen, Testkonzepte usw. an.
Und so kam es dann auch, dass das exponentielle Wachstum alles in den Schatten stellte, was in der ersten Phase der Pandemie furchteinflößend gewesen war.
Staunend standen die Menschen und, was besonders erstaunlich ist, auch die Regierungsvertreter von Bund und Ländern vor dieser Entwicklung, die eigentlich ja prophezeit worden war und zwar von Experten, nicht von Esoterikern, die in die Glaskugel geschaut hatten.
Dieses Szenario des Ignorierens der Ergebnisse wissenschaftlicher Simulationen zum Infektionsgeschehen und dem ungläubigen Staunen über die dann tatsächlich eintretende Entwicklung, sollte sich noch öfter wiederholen.
In dem Neujahrsklassiker „Dinner for one“ sagt die alte Lady: „The same procedure as every year James“. In Deutschland könnte man sagen: „The same procedure as every year Jens, Angie, Markus…“
Inzidenz – Dreh- und Angelpunkt
Wenn ich mich an diesen Herbst zurück erinnere, dann starrte ich täglich auf das Infektionsgeschehen, das in der Süddeutschen Zeitung, in den Nachrichten und in eigentlich allen Medien in Form von Inzidenz-Zahlen wiedergegeben wurde.
Zu Beginn der Pandemie war der R-Faktor (Reproduktionsfaktor heißt: Wieviele andere steckt ein Infizierter im Durchschnitt an? Wenn dieser Faktor unter 0,7 fällt, flaut das Geschehen ab.) ein Beurteilungskriterium und ein Maßstab für Verhaltensregelungen.
Wann der R-Faktor als Basis für politische Maßnahmen von der Inzidenz (Infektionsfälle binnen 7 Tagen pro 100.000 Einwohner) abgelöst wurde und warum, weiß ich nicht mehr.
In den Medien wurden nun alle Landkreise und kreisfreien Städte Deutschlands mit ihrer vom Robert-Koch-Institut gemessenen Inzidenz abgebildet. So konnte man jeden Tag lesen, ob man in einem Hochrisikogebiet lebte und ob das Infektionsgeschehen im unmittelbaren Umfeld Fahrt aufnahm oder abflaute.
In Bayern versuchte man zeitweise diese Unterschiede in innerbayerische Reisebeschränkungen umzuwandeln. War also die Inzidenz beispielsweise in einem Landkreis über 100, dann durfte man seinen Wohnort von dessen Außengrenze nur bis zu einem Umkreis von 15 km verlassen. Für Arztbesuche, Arbeit und Einkaufen gab es Ausnahmegenehmigungen. Warum jenseits der 15 km das Virus lauern könnte, wurde nicht erörtert. Wie man sich selbst oder der Staat kontrollieren könnte, hatte sich niemand überlegt. Dass die Bewegungsfreiheit beispielsweise der Münchner bis zu deren Ortsgrenze schon ein Vielfaches an Bewegungsfreiheit beinhaltete als die Ortsgrenze einer Kleinstadt plus 15 km, war schon nicht mehr unfair zu nennen, sondern nur noch ein Witz.
Die Straßenschilder am Ortsrand, die die Distanz zum nächsten Ort anzeigten, erlangten so gesehen eine ganz neue Bedeutung. Allerdings erntete die bayerische Staatsregierung, genauer gesagt Ministerpräsident Markus Söder, stummes und verstocktes Kopfschütteln. Die Bayern überlegten spaßeshalber, wie weit sie denn fahren dürften und gingen dann ihrer Wege wie immer.
Diese Maßnahme erschien den meisten von uns so unsinnig, dass wir uns nicht einmal darüber aufregten oder gar dagegen protestierten. Wir ignorierten den Schmarrn, der dann auch nicht lange aufrechterhalten wurde.
Länger hielt sich die Abhängigkeit der Öffnungen und Kontaktbeschränkungen von der lokalen Inzidenz. Während man beispielsweise in München schon in den Kaufhäusern und Boutiquen unter Angabe der Kontaktdaten einkaufen konnte, war in Hof noch alles dicht. Seltsamerweise fiel die Inzidenz in den großen Städten Süddeutschlands schneller als in Nordbayern an der Grenze zu den Hochinzidenzgebieten Thüringen, Sachsen und Tschechien. Die Grenze zu Tschechien wurde dann auch zeitweise geschlossen.
Obwohl mein Wohnort nah an der tschechischen Grenze liegt, hat mich die Grenzschließung nicht tangiert. Aber als ich dann in München, an meinem Erstwohnsitz, nach langer Zeit erstmals wieder ein Kaufhaus betreten, in der Textilabteilung Bekleidung anprobieren und ein bisschen Firlefanz kaufen konnte, wurde mir erst richtig bewusst, dass mir diese Freiheit schon gefehlt hatte.

Allerdings musste man am Eingang seine Adresse hinterlassen und die Uhrzeit des Eintreten usw.. Aber mit der Inzidenz fielen auch die Erschwernisse und eines Tages kehrte, bis auf die Maske, wieder ein wenig Normalität ein.
Was auch blieb, war in vielen Geschäften die Beschränkung der Besucherzahlen. Beispielsweise installierte der „Penny-Markt“ um die Ecke eine Ampel am Eingang, die rot wurde, wenn zu viele Käufer im Laden waren.
Und bis heute (Februar 2022) kann man am Eingang der Geschäfte seine Hände desinfizieren.
Dauerbrenner Maskenpflicht und Maskendeals
Am 18. Januar 2021 wurde deutschlandweit die Pflicht zum Tragen von FFP2-Masken beschlossen.
Das Problem war natürlich wieder, wie schon zu Beginn der Pandemie, die Beschaffung von Masken. Es gab die Pflicht zum Tragen, aber nicht die Möglichkeit, sich damit ausreichend zu versorgen.
So eine FFP2-Maske konnte man nun nicht mehr selbst schneidern und sie war teuerer als die OP-Masken. Sie konnten auch nicht ausgekocht werden wie die selbstgeschneiderten Stoffmasken, sondern waren Wegwerfware.
Also gab es eine Priorisierung der Bezugsberechtigten. Zuerst wurden Risikopatienten wie Alte und chronisch Kranke kostenlos über die Apotheken mit diesen Masken (3 Stück) versorgt, dann gab es sie günstig zu beziehen und schließlich konnte jeder kaufen, so viel er wollte.
Ganz abgesehen von einigen geschäftstüchtigen Abgeordneten und Vertretern der bayerischen Landesregierung stieg ausgerechnet China mit Erfolg in die Marktlücke ein. Bis heute gilt: Egal, wo man die Masken bezieht, ob über das Internet oder in der Apotheke, die meisten sind „Made in China“. Vereinzelt findet man die Bezeichnung „In Deutschland gefertigt“ und bezahlt dafür dann entsprechend mehr. Im Preis sind ja schließlich die Provisionen für die vermittelnden Volksvertreter enthalten. Wir sprechen hier von einem Millionengeschäft.
Georg Nüßlein (damals MdB der CSU; heute parteilos) und Alfred Sauter (Landtagsabgeordneter der CSU) sowie Andrea Tandler (Tochter des ehemaligen CSU-Ministers und Generalsekretärs Gerold Tandler) und Monika Hohlmeier (CSU-Mitglied, ehemalige bayerische Ministerin für Unterricht und Kultus, derzeit Abgeordnete im Europaparlament und Tochter des ehemaligen Bundesministers und bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß), um nur die Politprominenz zu nennen, vermittelten zwischen Maskenproduzenten bzw. Lieferanten und den Landesregierungen sowie der Bundesregierung.
Während die Abgeordneten Nüßlein und Sauter Provisionen im zweistelligen Millionen-Bereich einsackten, bestreitet die Europaabgeordnete Monika Hohlmeier jemals finanzielle Zuwendungen erhalten zu haben. Allerdings ließ sie sich von ihrer Freundin Andrea Tandler als Türöffner für die Schweizer Firma Emix benutzen. Die beiden Firmeninhaber setzten daraufhin in Deutschland Masken im Wert von knapp 700 Millionen Euro um. Deutsche Ministerien zahlten zwischen 5,50 und 9,90 € pro Maske. Der teuerste Deal aller Zeiten. Entsprechend millionenschwer muss natürlich die Provision für die PR-Agentur von Andrea Tandler gewesen sein.
Bayern ist eigentlich bekannt für seine Amigo-Affären, die hart an der Grenze zur Legalität stattfinden und auf jeden Fall die Grenze zur unethischen Verwerflichkeit überschreiten. Korruption liege nicht vor, stellten die angerufenen Gerichte fest. Allerdings wurden die Abgeordneten Sauter und Nüßlein von ihrer Partei geächtet bzw. zum Austritt gezwungen.
Volksvertreter, die die Notlage des Volkes ausnützen, um Geld in ihre Privatkassen zu scheffeln, werden ihrer Aufgabe nicht gerecht, haben die Bezeichnung Volksvertreter verwirkt.
Aber auch die Tatsache, dass die Regierungen überhaupt so unvorbereitet waren, dass sie glaubten, überteuerte Angebote annehmen zu müssen, lässt an der Fähigkeit zur Vertretung des Volkes zweifeln.
Es wurden und werden in dieser Pandemie viele Fehler von Seiten der unterschiedlichen Regierungskoalitionen gemacht, manche von kommunikativer, andere von organisatorischer Art und wieder andere, die von mangelnder Entschlusskraft zeugen. Die Maskenaffären könnten jedoch auch ein Hinweis darauf sein, wie Geschäfte mit Bund und Ländern gemacht werden, nicht nur, wenn Pandemie ist und einige vor Gier über die Maßen dreist werden.
Angst vor dem Lockdown – Angst vor den Wählern
Wenn man bedenkt, dass am 09. Dezember 2020, als in Bayern erneut der Katastrophenfall ausgerufen wurde, tagesaktuell 319.000 Infektionen gezählt wurden, während es beim ersten Mal am 16. März 2020 nur gut 7.000 waren, dann fragt man sich schon, wieso in Ministerpräsidenten-Treffen mit Kanzlerin Merkel immer noch zögerlich über einen Lockdown light diskutiert wurde.
In meiner Erinnerung wabern weichgespülte Beschlüsse, die sowieso von jedem Ministerpräsidenten für sein eigenes Bundesland wieder modifiziert werden, durch Herbst und Winter.
Ich sehe die potenziellen Kanzlerkandidaten der Schwesterparteien CDU/CSU, Armin Laschet (MP Nordrhein-Westphalen) und Markus Söder (MP Bayern) ihre Profile schärfen. Der eine aus dem Norden wiegelt ab, will keinen Lockdown, entwickelt Übergangspläne, die vom Rest der Republik wegen Sinnlosigkeit und Undurchführbarkeit wieder verworfen werden. Der andere, aus dem Süden, gibt den Macher, prescht mit strengeren Regelungen vor, setzt alle unter Druck und hat dennoch die höchsten Infektionszahlen in seinem Bundesland zu verzeichnen.
Im November 2020 säuselten alle Politiker, die Deutschen mögen sich doch mit Kontakten zurückhalten, damit man an Weihnachten schön im üblichen Familienkreis Weihnachten feiern könne. Und auch Silvester sollte nicht allzu sehr unter Corona leiden.
Für mich gibt es nur eine Erklärung für dieses Taktieren:
Im September 2021 sollte der neue Bundestag gewählt werden und die Politiker stellten ihre Meinung, ihre Handlungen und ihre Präsenz gerade auf Wahlkampfmodus ein.
Dass ein Lockdown kommen würde, ja kommen musste, lag für jeden einigermaßen vernunftbegabten Menschen auf der Hand. Wir erlebten damals zum ersten Mal exponentielles Wachstum bei dem nach oben alles offen schien.
Man konnte das Dilemma der wahlkämpfenden Politiker und Parteien sehen und spüren, ja die inneren Monologe fast hören: Verärgere ich die Leute mit allzu unangenehmen Maßnahmen, dann wählen die mich nicht. Aber wenn ich unentschlossen rüberkomme, wählen sie mich auch nicht, weil ich ja dann keine Führungsqualität zeige. Wenn ich gar nichts tue und viel und entschlossen rede, dann steigen die Infektionszahlen in den Himmel, aber die Überlebenden wählen mich dann vielleicht! … So oder so ähnlich habe ich mir das vorgestellt in meiner Wut darüber, dass die Volksvertreter nicht in erster Linie ihrer Aufgabe gerecht werden wollten, sondern ihr Profil zu schärfen gedachten.
Ausgerechnet Angela Merkel, die ja zur Wahl nicht wieder antreten wollte und der daher die Wähler wurscht sein konnten, drängte auf tiefgreifende Maßnahmen in den Ministerpräsidentenkonferenzen mit ihr. Sie, die keine Volksvertreterin mehr sein wollte, versuchte in dieser Phase die Interessen des Volkes in dieser Krise zu vertreten. Aber sie hatte keine Chance. Wie absurd ist das denn?
Am 16. Dezember 2020 war aber dann für alle Schluss mit lustig.
Endlich kam der harte Lockdown bis zum 10. Januar 2021. Nur die Läden des täglichen Bedarfs durften öffnen. Der weihnachtliche Einkaufsrausch war somit ausgebremst.
Auch gut! Etwas mehr Beschaulichkeit in den letzten Tagen des Advent hat auch etwas für sich. Es war noch nie so ruhig vor Weihnachten.
Die Menschen schienen mir erleichtert zu sein, dass endlich eine Entscheidung gefallen war.
Wie sehr wir doch alle einer gewissen Führung bedürfen, wird einem bei solchen Gelegenheiten erst so richtig bewusst. Mir ist diese Erkenntnis nicht ganz geheuer. Führung? Wieviel Führung? Von wem geführt werden und wohin? – In diesem Fall erscheint mir Führung aber gut und unabdingbar.
Für Weihnachten sollten nach dem Beschluss die strengen Regeln für private Kontakte – maximal fünf Personen aus maximal zwei Hausständen – gelockert werden. Vom 24. bis zum 26. Dezember waren demnach Treffen mit vier über den eigenen Hausstand hinausgehenden Personen aus dem engsten Familienkreis zulässig, dazu kamen Kinder im Alter bis 14 Jahre. Es durften dann auch mehr als zwei Hausstände sein. Unter bestimmten Bedingungen sollten Gottesdienste möglich sein. An Silvester und Neujahr sollte ein bundesweites Versammlungsverbot gelten. Zudem wurde der Verkauf von Feuerwerk für Silvester grundsätzlich verboten.
Meine Familie besteht nur aus insgesamt fünf Personen, einem Hund und damals nur einer Katze. Für uns war also alles erlaubt, was wir geplant hatten. Wir, mein Sohn, meine Schwiegertochter und ich, feierten in Hamburg bei meinem Ex-Mann und seiner Frau. Am Heiligen Abend trafen wir uns gegen 23 Uhr auf der Straße zwischen den Häusern mit den Nachbarn, natürlich auf größtmöglichem Abstand, und sangen gemeinsam Weihnachtslieder, wobei wir Kerzen in den Händen hielten. Es war schön und stimmig und die Pandemie spielte für ein paar Stunden keine Rolle mehr in unseren Leben.
Am 24. Dezember 2020 wurde der Kamm der Infektionswelle mit 400.000 Infektionen überschritten und die Infektionszahlen sanken langsam, ohne jedoch je das höchste Niveau der ersten Welle zu unterschreiten, bevor sie ab Anfang März 2021 wieder anstiegen.
Verlängerter Winterblues oder doch schon Depression?
Eigentlich lag ja alle Hoffnung auf Besserung im Frühlingserwachen. Aber das Gegenteil war der Fall. Exponentielles Wachstum ließ Übles ahnen.
Aus einer der Ministerpräsidentenkonferenzen mit der Kanzlerin war eine Bundesnotbremse hervorgegangen, die besagte, dass Landkreise selbstbestimmt eigene, weiter reichende Einschränkungen beschließen könnten bzw. müssten, wenn die 7-Tage-Inzidenz die Hundertermarke überschreite. Das exponentielle Wachstum wurde dadurch aber nicht gestoppt.
Und so kam es zu einer Posse, die die Hilflosigkeit und Verwirrung der politisch Verantwortlichen in diesen Tagen sehr deutlich machte:
Am 23. März beschloss die Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzlerin Merkel nach 12 Stunden Beratung eine sogenannte erweiterte Osterruhe. Zusätzlich zu Karfreitag und den eigentlichen Osterfesttagen sollten Gründonnerstag und Ostersamstag einmalig als Feiertage bzw. Ruhetage erklärt werden. Lediglich Lebensmittelgeschäften dürften an diesem Samstag öffnen. Man wollte mit diesen fünf Ruhetagen inklusive Kontaktbeschränkungen die Welle brechen.
Was dann tatsächlich abgebrochen wurde, war die Durchführung dieses Beschlusses und zwar bereits am nächsten Tag. All die Konsequenzen für Arbeitnehmer, Unternehmen und Geschäfte waren nicht durchdacht worden.
Die Kanzlerin nahm diese Maßnahme zurück und entschuldigte sich für die Verwirrung. Sie übernahm sogar die alleinige Verantwortung, was aber natürlich Unsinn ist, denn alle Ministerpräsidenten hatten dieses Debakel ja mit veranstaltet.
Wir lebten also mehr oder weniger in einem Dauerlockdown oder waren bedroht von einem noch härteren Lockdown mit Ausgangssperre und noch stärkeren Kontaktbeschränkungen.
Ich fühlte mich komplett ausgeliefert an die Launen eines Virus, an die Hilflosigkeit unserer politischen Führungskräfte und an den heiligen Petrus, der ja bekanntlich für das Wetter auf der Erde zuständig sein soll.
In Deutschland, genauer gesagt in Bayern, wurde es nie richtig Sommer. Es war nasskalt und ich musste im August an einigen Tagen sogar die Heizung aufdrehen, während in Südeuropa und in den USA Hitzewellen für riesige Waldbrände sorgen.
Als Mitte Juli in den Bundesländern Nordrhein-Westphalen und Rheinland-Pfalz unglaubliche Regenmengen zu verheerenden, nie da gewesenen Überschwemmungen führten, fühlte sich das schon ein wenig wie Apokalypse an.
Alle raunten, dass dies die Folgen des Klimawandels seien, dass nun endlich etwas geändert werden müsse, dass, und das ist jetzt typisch deutsch, eine Elementarversicherung für Hausbesitzer Pflicht werden sollte.
Für einige Zeit war Corona nur noch Hintergrundmusik.
Wer keine gut funktionierenden Verdrängungsmechanismen hatte, der fuhr nicht arglos in den Urlaub, beobachtet mit Sorge das wechselhafte Infektionsgeschehen in Deutschland und in den Urlaubsländern und die mäßig erfolgreiche Impfkampagne. Allen graute es vor einem neuen Lockdown und alle waren genervt bis wütend.
Die Infektionsschutzmaßnahmen waren in Deutschland zu Beginn des Sommers langsam abgebaut worden. Zuerst öffneten Läden und Gaststätten je nach Inzidenz vor Ort, allerdings erhielt man nur Zutritt mit Terminvereinbarung und Test, dann ohne Termin, aber mit Impfung oder Genesungsnachweis oder Test und irgendwann ohne Einschränkung mit Ausnahme der Maskenpflicht.
Die Schülerinnen und Schüler saßen überwiegend zu Hause, ob in Quarantäne oder um Ansteckungen vorzubeugen, war auch schon egal. Die Studenten studierten ebenfalls daheim und die Erst- und Zweitsemester fragten sich, wie wohl ihre Uni von innen aussehen mag. Sie hatten bis dato noch keinen Hörsaal oder Seminarraum betreten.
Aber es gab Lockerungen. Die Menschen schafften es zu verreisen. Mit Tests ging Vieles, vor allem gute Geschäfte bis hin zu Betrug. Dass nur die PCR-Tests sichere Ergebnisse lieferten, nicht aber die Schnelltests, störte nicht wirklich. Veranstalter, Fluggesellschaften, Hotel- und Gaststättengewerbe, sie alle kämpften ums existenzielle Überleben und die Gäste kämpften gegen depressive Verstimmungen.
Also eine Win-win-Situation?! Nur nicht für diejenigen, die sich beispielsweise im Flugzeug infizierten und zu Hause dann andere ansteckten.
Ich selbst fühlte mich einfach nicht wirklich frei, denn es war klar, dass neue Wellen schon bald kommen würden, dass diese Lockdowns nach sich ziehen könnten oder mindestens irgendwelche Beschränkungen, dass es einfach noch nicht vorbei war.
Veröffentlichte Zahlen, wissenschaftliche Hochrechnungen und Szenarien bzw. Simulationen ließen keinen Zweifel daran. Und wie so oft im Leben machte es mich verrückt, dass alle Welt so tat, als wäre das Problem Pandemie aus der Welt geschafft. Dabei erschien am Horizont eine neue Mutation, die hoch infektiöse und recht aggressive Delta-Variante. Ich hätte in dieser Zeit so gern mehr Talent zur Verdrängung gehabt.
Ende Juli 2021 begannen die Infektionszahlen wieder anzusteigen. Vielleicht auch, weil Massenveranstaltungen nun möglich waren.
Die Fußball-Europameisterschaft vom 11. Juni bis zum 11. Juli 2021 wurde in 10 europäischen Städten und in Baku (Aserbaidschan) vor Publikum ausgetragen.
Die Allianzarena in München war natürlich auch Austragungsort und die Fans verhielten sich wie es ordentliche Fans nun mal tun. Saufen und grölen und sich zusammenrotten. Ich sah U-Bahn-Züge vollgestopft mit Fans zum Stadion an mir vorbeirollen. Abstand? Schreien und singen, dass jede Atemschutzmaske an ihre Grenzen kommt.
Das Endspiel im Wembley-Stadion in London war mit 60.000 Zuschauern zu zwei Dritteln besetzt. Es gab keine Maskenpflicht, wohl weil sich sowieso keiner daran gehalten hätte. Tolle Sache für die ausgehungerten Fußballfans, die von Geisterspielen ohne Publikum endgültig die Schnauze voll hatten.
Aber ein Unding für all diejenigen, die sich fragten, wieso es eigentlich mal Infektionsschutzmaßnahmen gegeben hatte, wenn in einer Zeit von steigenden Inzidenzen nun plötzlich Massenveranstaltungen stattfinden durften.
2020 war dieses Fußballereignis wegen der Corona-Pandemie verschoben worden. Obwohl die Infektionszahl in Deutschland im Juni 2021 4- bis 5-mal so hoch war wie im gleichen Zeitraum 2020, fanden die Spiele diesmal statt, UEFA und ihrem Geschäftssinn sei Dank.
Muss man das verstehen?
Muss man nicht, kann man aber rechtfertigen. Es gab nämlich einen großen Unterschied zur Situation 2020. Die Welt hatte inzwischen Impfstoffe. Naja, nicht die Welt, aber einige Länder schon.
Impfstoffmangel und Impfgegner
Im November 2020 waren Ugur Sahin (Professor für experimentelle Onkologie an der Medizinischen Klinik der Universität Mainz) und Özlem Türeci (Professorin and er Johannes-Gutenberg-Universität Mainz) in ihrer Funktion als Gründer-Ehepaar und Vorstandsvorsitzender (Sahin) bzw. medizinischer Vorstand (Türeci) des Unternehmens BioNTech vor die Presse getreten und hatten erklärt, sie hätten in ihrem börsennotierten Unternehmen BioNTech-Pfizer einen mRNA-basierten Impfstoff gegen Covid-19 entwickelt, der zu 95% vor einer Infektion schützen würde. Ein Hoffnungsschimmer!
Weitere Pharmakonzerne brachten bald Impfstoffe auf den Markt. AstraZeneca hatte einen Vektorimpfstoff entwickelt, Moderna bot wie Biontech einen mRna-basierten Impfstoff an, um nur die bekanntesten zu nennen. Die Zulassungen der Länder ließen jedoch noch auf sich warten und die deutsche Impfkommission arbeitet gründlich. Dafür bin ich aber, ehrlich gesagt, dankbar.
Die EU ging dann einkaufen für alle 27 Mitgliedsländer und arbeitete Kontingente aus. Aber natürlich gab es Streit beispielsweise mit dem schwedisch-britischen Unternehmen AstraZeneca. Das Unternehmen sah sich angeblich aufgrund von Produktionsschwierigkeiten nicht in der Lage, die Lieferzusagen einzuhalten, war aber durchaus in der Lage, die Lieferungen nach UK aufzustocken. Jedenfalls wurde dies so in der Presse kommuniziert. Aber auch die Produktion von BioNTech lief anfangs etwas holprig. Immerhin musste die Produktion ja erst aufgebaut werden. Was kam dabei heraus? Impfstoffmangel! Startschwierigkeiten!
Impfpriorisierung!
Es gab im Winter und Frühling 2021, also in der Zeit des Impfstoffmangels, vier Gruppen der Priorisierung. Entscheidend waren Alter und Vorerkrankungen. Mit meinen 68 Jahren landete ich in der Priorisierungsgruppe II. Dass ich ein durch einen Herzinfarkt geschädigtes Herz habe, spielte keine Rolle.
Ich wartete also geduldig und lange Zeit auch sehr gelassen auf die Dinge, die da kommen sollten.
Was vor allem kam, waren Diskussionen. Die Impfgegnerszene machte mobil in den sozialen Medien und auf den Straßen. Impfzentren wurden für teueres Geld aus dem Boden gestampft. Irgendwann meldeten sich die Hausärzte zu Wort und meinten, sie könnten doch die Impfungen übernehmen, denn sie würden die Krankenakten ihrer Patienten besser kennen, als die Ärzte des Impfzentrums.
Dies war besonders deswegen ein Argument, weil der Vektorimpfstoff AstraZeneca in Misskredit geraten war. Zuerst wurde der Impfstoff aufgrund fehlender Datenlage nur für Menschen unter 60 Jahren empfohlen und dann nur noch für Menschen über 64.
Die Stiko (Ständige Impfkommission) musste sich mit Fällen von Hirnvenen- und Sinusvenenthrombosen bei jungen Frauen nach der Impfung befassen. Die Verwendung wurde ausgesetzt und wieder freigegeben, aber nun für Ältere und nicht mehr für Junge. Einige Untersuchungen später eine neue Kehrtwende! BioNTech für die Alten und AstraZeneca nach eingehender Beratung für die Jungen. Warum, wieso, weshalb? Man konnte das nicht mehr so richtig nachvollziehen, denn eigentlich waren die festgestellten Nebenwirkungen sehr selten. In UK traten beispielsweise bei einer Million Geimpften 4 Fälle von Thrombosen und ein Todesfall auf. Aber auch die Presse stürzte sich auf jede Mutmaßung, als ginge es darum, massenhafte Impfschäden zu vermeiden.
Kein Wunder, dass sich dieser Impfstoff zum Ladenhüter entwickelte und die Menschen überhaupt immer misstrauischer wurden.
All diese Auseinandersetzungen fanden statt, während es gleichzeitig gar nicht genügend Impfstoffe für alle gab.
In den Medien wurden Geschichten von Impftourismus erzählt, von Betrügereien, um in der Priorisierungsgruppe nach vorn zu rutschen, und von Impfunwilligen wie beispielsweise Hubert Aiwanger (Freie Wähler), seines Zeichens bayerischer stellvertretender Ministerpräsident und bayerischer Wirtschaftsminister.
Im April wartete ich noch immer auf einen Impftermin im Impfzentrum. Um mich herum gab es schon viele Geimpfte, die jünger waren als ich, aber bessere Gründe vorweisen konnten. Welche genau, war mir schleierhaft. Langsam beschlich mich durchaus das Gefühl, ich könnte vielleicht vergessen werden. Und dann kam plötzlich per Telefon ein Terminangebot für den Abend. Mir war die Art des Impfstoffs egal, aber es war BioNTech, der allgemein bevorzugte Impfstoff. Nach der ersten Impfung hatte ich fast keine Nebenwirkungen, nach der zweiten Impfung allerdings verspürte ich zwei Tage lang Glieder- und Gelenkschmerzen, die noch eine Woche im Hintergrund lauerten. Aber dann war’s vorbei. Es war ein gutes Gefühl, eine Art Hoffnung, dass die Zeiten doch wieder besser werden könnten.
Aufregende und aufgeregte Diskussionen kennzeichneten diese Phase. Und als endlich Anfang Juli 2021 genügend Impfstoff zur Verfügung stand und daher die Impfpriorisierung aufgehoben wurde, flaute das Interesse in der Bevölkerung am Impfen ab und es kehrte keineswegs Frieden ein.
Polarisierung, Missgunst und Wut
In den Kommentaren und Leserforen der Süddeutschen Zeitung fanden hitzige Diskussionen statt, die man auch in Interviews und Reportagen im Radio und im Fernsehen verfolgen konnte.
Noch während die meisten auf ihre Impfung warten mussten, forderten die anderen, dass sofort die Einschränkungen für Geimpfte und Genesene zurückgenommen werden müssten, denn jedwede Grundrechtseinschränkung entbehre nun für Geimpfte ihrer rechtlichen Grundlage.
Die Jüngeren gifteten daraufhin, dass man wegen der Alten überhaupt kein schönes Leben mehr gehabt habe, obwohl ja die Jungen gar nicht schwer krank würden. Nun wollten diese egoistischen Alten auch noch alle Freiheitsrechte zurück, bloß weil sie in der Priorisierung bevorzugt worden seien. Sie, die Jungen, könnten ja schließlich nichts dafür, dass sie noch keiner hätte impfen wollen oder können.
Als sich dann im Sommer 2021 alle hätten impfen lassen können, ging’s mit der Impferei nur schleppend voran. Viele Menschen hatten Bedenken, was ja kein Wunder nach all der schlechten Presse und dem Hin und Her um einzelne Impfstoffe und ihre Nebenwirkungen war. Viele misstrauten auch den Impfstoffen, weil sie in so ungewöhnlich kurzer Zeit die medizinische Freigabe erhalten hatten. „Das kann doch nicht ordentlich erforscht sein!“, mutmaßten etliche Menschen.
Aber es gab natürlich auch die ideologisch motivierten Impfverweigerer, die eine politische oder von der Pharmaindustrie gesteuerte Verschwörung hinter der Impfkampagne sahen.
„Impfverweigerer“ wurde jedenfalls zum Synonym für dumme, verantwortungslose, unsolidarische, bequeme, asoziale Menschen.
Länder und Kommunen überlegten nun, wie sie wenigstens die Impfverweigerer aus Bequemlichkeit zur Impfung motivieren könnten. Also gab` s mobile Impfteams an belebten Plätzen, in Einkaufszentren, neben der Bratwurstbude usw..
Ich war schon erstaunt darüber, dass es tatsächlich nach dieser langen Zeit von Lockdown und Kontaktbeschränkungen Menschen gab, die noch umgeimpft waren, weil sie es sich noch nicht hatten einrichten können. Wenn man jedoch eh grade zum Einkaufen ging, konnte man das ja auch schnell mal mitmachen. Aber einen Termin beim Arzt oder im Impfzentrum? Ne, ne, ne!
Die Impfzentren beklagten im Sommer, dass viele zur Zweitimpfung nicht erschienen seien. Wahrscheinlich konnten sie es sich nicht einrichten, da sie im Urlaub waren.
Und die Debatten in den Print-, online-, Audio- und visuellen Medien fanden immer neuen Stoff.
Nun wurde diskutiert, ob Impfverweigerer, wenn sie wegen einer schweren Corona-Erkrankung ins Krankenhaus müssten, vielleicht als Letzte versorgt werden oder gar ihre Behandlungskosten selbst tragen sollten.
Nun wurde ernsthaft darüber nachgedacht, ob Arbeitgeber den Impfstatus ihrer Mitarbeiter abfragen dürften oder nicht.
Nun wurde überlegt, ob Ungeimpfte im Fall einer Quarantäne keine Lohnfortzahlung bekommen sollten.
Corona-Tests, laut 3-G-Regel für Ungeimpfte erforderlich für den Besuch von Gaststätten und Veranstaltungen, wurden kostenpflichtig. Selbstverständlich auch ein Diskussionsthema!
Und die Frage, ob Kinder eine Impfung erhalten sollten, ob die Wissenschaftler das empfehlen würden und wenn ja, ab welchem Alter, führte ebenfalls zu emotionalen und rationalen Verwerfungen.
Welle der Ungeimpften und Corona-Leugner
Am 05. November 2021 lag die 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner deutschlandweit bei ca. 150, in Bayern bei 250. Tendenz steigend. Man sprach von einer Infektionswelle der Ungeimpften. 90 Prozent der Patienten auf den Intensivstationen, die beatmet werden mussten, waren ungeimpft. Ich habe in einem Radiointerview einen fassungslosen Arzt gehört, der erzählte, er habe schwer an Corona erkrankte Menschen da liegen, die aber immer noch behaupten würden, Corona gebe es nicht, sie würden sich niemals impfen lassen und auch die ganze Familie sei nicht geimpft und würde das auch niemals tun. Man weiß nicht, was man dazu sagen soll.
Gut zwei Drittel der Deutschen, wozu ich und meine Familie und Freunde gehören, sind zu diesem Zeitpunkt geimpft. Die über 70-Jährigen der ersten Impfphase brauchen eine Auffrischungsimpfung. Die Empfehlungen gehen in Richtung Booster-Impfung, also Auffrischung durch eine dritte Impfung, für alle. Kinder unter 12 Jahren wurden in Deutschland noch nicht geimpft.
Die Impfgegner organisierten einen Gedenktag für die Todesopfer der Coronaimpfung.
Fakt ist, dass weltweit zu dieser Zeit um die 5 Millionen Menschen an bzw. mit Corona gestorben waren, ca. 100.000 davon in Deutschland. Das Paul-Ehrlich-Institut in Deutschland untersuchte ca. 100 Verdachtsfälle von Verstorbenen in zeitlicher Nähe zur Impfung. Die meisten davon hätten ein sehr hohes Alter und schwere Vorerkrankungen, an denen sie letztendlich gestorben wären, so das Institut. In den Pflegeheimen hätten oft Corona-Ausbrüche stattgefunden, als die frisch Geimpften noch nicht genügend Impfschutz entwickelt hätten. Bei anderen habe man auf Wunsch von Angehörigen keine Obduktion vornehmen dürfen. Langer Rede kurzer Sinn, ein Nachweis von Todesfällen durch die Impfung konnte wissenschaftlich nicht erbracht werden.
November 2021 – Deutschland in desolatem Zustand
Ich hatte das Gefühl, mich in einer Endlosschleife zu befinden, in der sich die Ereignisse ständig wiederholten, die Sprüche der Politiker, die Warnungen der Experten, die Ignoranz der meisten Menschen, das exponentielle Wachstum der Infektionszahlen, die Angst vor der Überlastung der Krankenhäuser und ihres medizinischen Personals.…
Den Intensivstationen gingen Betten und Personal aus. Pflegerinnen, Pfleger, Ärzte und Ärztinnen waren nach über einem Jahr Dauerstress erschöpft. Manche schmissen hin, suchten sich ein neues Betätigungsfeld. Besonders enervierend sei es, sagten sie in Interviews, mitzuerleben, dass viele jüngere Menschen auf den Intensivstationen liegen würden. Sie ließen sich nicht impfen, obwohl für alle genügend Impfstoff zur Verfügung stehen würde. Angst? Unwissenheit? Impfgegner? Phlegmatiker? Man wisse es nicht.
Die Impfquote in Deutschland betrug im November 2021 grade mal knapp 68 Prozent. In den Regionen, in denen die 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner auf über 1000 geklettert war, war nur eine Impfquote von gut 50 Prozent erreicht worden. Das war nicht genug, um die Pandemie einzudämmen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief in einer Ansprache am 15. November 2021 den Ungeimpften zu: „Was muss denn noch geschehen?!“
Besonders in Süddeutschland, Sachsen und Thüringen war die Inzidenz rasch auf mehrere hundert gestiegen und überschritt die Tausendermarke. Warum?
Ich hatte und habe da so eine Theorie. Im Süden Deutschlands ist die Esoterik-Szene stark verbreitet, die grundsätzlich gegenüber der Schulmedizin und der Pharmaindustrie sehr misstrauisch ist. In Sachsen und Thüringen sind die politisch Rechten sehr stark, die das Misstrauen gegenüber dem deutschen Staat schüren und von Impfdiktatur und faschistoiden Anwandlungen der Regierungsparteien faseln. Diese rechtsorientierte Querdenker-Bewegung baut im Rahmen der Proteste gegen Corona-Maßnahmen ein Netzwerk auf, in das sie mit Sicherheit nach der Pandemie neue Inhalte einspeisen wird, mit dem Ziel, die demokratischen Strukturen zu schwächen. Bei mir schrillen alle Alarmglocken, wenn ich darüber nachdenke.
Aber auch das Pandemie-Management der deutschen Regierungsverantwortlichen war in dieser Zeit recht bescheiden.
Halbherzige Pandemie-Bekämpfung
Virologen drängten darauf, dass Auffrischungsimpfungen, sogenannte Booster-Impfungen, für die Geimpften durchgeführt werden sollten. Der Impfschutz lasse nach fünf bis sechs Monaten nach, so die Mediziner. Eine Booster-Impfung würde den Schutz wieder erhöhen.
Das Problem war nur, dass die Impfzentren im Sommer mangels Impfwilliger geschlossen worden waren. Wohin mit den Massen an Booster-Impfwilligen? Die Impfzentren hochzufahren würde eine Weile dauern und die Delta-Welle baute sich bedrohlich auf.
Die deutschen Politiker hätten mit einem Blick auf Israels Entwicklung und Umgang mit der Pandemie durchaus vorausschauend planen können. Israel boosterte rechtzeitig und konsequent die Bevölkerung.
Aber während des Sommers war in Deutschland Wahlkampf gewesen und die weitgehende Rücknahme der Beschränkungen und die Öffnung von Einzelhandel, Gastronomie sowie Sport- und Kultureinrichtungen konnte Stimmen bringen.
Oktober/November 2021 war das politische Deutschland führungs- und orientierungslos in dieser aktuellen Krise. Waren vor der Bundestagswahl im September 2021 noch die Vertreter aller Parteien eifrig dabei gewesen, ihre Kompetenz in der Pandemie durch Aktionismus oder Besonnenheit explizit zur Schau zu stellen, hatten nun alle „Besseres“ zu tun. Die Wahlverlierer CDU/CSU stellten noch die geschäftsführende Bundeskanzlerin und das Kabinett, darunter auch Gesundheitsminister Jens Spahn. Aber die Vertreter der abgewählten Parteien fühlten sich nicht mehr verantwortlich. Noch-Gesundheitsminister Jens Spahn beabsichtigte, mitten im ungebremsten exponentiellen Wachstum das rechtliche Instrument der Erklärung der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“, die laut Bundestagsbeschluss bis zum 25. November gelten sollte, auslaufen zu lassen.
Auch die potenziellen Koalitionspartner und Wahlgewinner, SPD, Grüne und FDP, wollten diese Rechtsbasis für weitgehende Corona-Einschränkungen in Deutschland nicht verlängern. Der Ausnahmezustand, der es den Regierungen von Bund und Ländern erlaubte, auf die jeweilige Pandemie-Entwicklung zu reagieren und verbindliche Verordnungen zu erlassen, sollte durch eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes abgelöst werden, das vom Parlament beschlossen werden würde. Man wollte so dem Parlament die Zuständigkeit für die Gesetzgebung auch in einer Krisensituation wie dieser Pandemie zuerkennen.
So die im November aktuellen Überlegungen.
Angesichts des Infektionsgeschehens war diese Diskussion zweitrangig. Deutschland brauchte zu diesem Zeitpunkt konkrete Entscheidungen. Aber niemand wollte sich exponieren.
Vorschriften, Vorschriften, Vorschriften
SPD, Grüne und FDP bastelten noch an ihrem Koalitionsvertrag und wussten nicht so genau, was sie wollen dürfen.
Die Wissenschaftler riefen schon seit Wochen nach Maßnahmen, nachdem ihre Warnungen vor der vierten Welle im Sommer ungehört verhallt waren.
In der Öffentlichkeit wurde die von der SPD favorisierte berufsgebundene Impfpflicht und sogar die absolute Impfpflicht diskutiert. Auch Variationen von Zutrittsbeschränkungen für Gastronomie, Einzelhandel und öffentliche Verkehrsmittel wurden vorgestellt: 2-G+ bedeutet nur Geimpfte und Genesene, die auch noch einen Test gemacht haben, dürften eintreten. 2-G bedeutet, dass Ungeimpfte, die nur getestet sind, keinen Zutritt hätten. 3-G bedeutet, dass Geimpfte, Genesene und Getestete kommen dürften. Was ist wohl die effektivste Variante? Und wer soll das alles wie kontrollieren?
Mich faszinierte ja die Idee von 2-G in Bahn und Bus. Wie das gehen soll, war mir schleierhaft!
Aber die Menschen gewöhnten sich sehr schnell an diese Zugangsbeschränkungen, zückten ihre Impf- und Testausweise, die Läden und Gaststätten forderten diese auch ein. Das Tragen von FFP2-Masken war schon lange zur Selbstverständlichkeit geworden. Die Mehrheit der Deutschen tat ihr Bestes, um Infektionen zu vermeiden.
Die Schulen und Universitäten waren offen. Die Schulen waren aber während der Sommerferien nicht mit Belüftungsanlagen ausgestattet worden. Die Schülerschaft musste mal Maske tragen, dann nicht mehr, dann wieder doch. Ständig waren welche in Quarantäne, manchmal auch wieder ganze Klassen.
Die Buden der Weihnachtsmärkte wurden aufgebaut und keiner wusste, ob ein Weihnachtsmarkt stattfinden würde oder nicht.
Am 18. November 2021 fand wieder eine Ministerpräsidentenkonferenz statt, um über das weitere Vorgehen zu beraten, gemeinsam mit der Noch-Bundeskanzlerin Angela Merkel. Hatten wir das nicht schon von Oktober 2020 bis Frühsommer 2021?!
Ich, Beobachterin und nachdenkliche Rentnerin, fragte mich, wie auch viele Wissenschaftler und Journalisten, wieso nun viele Politiker erstaunt waren, dass es so gekommen war, wie die Experten vorausgesagt hatten. Wieso keinerlei Vorsorge getroffen worden war? Wieso nicht vorausschauend gehandelt wurde?! (TA)
Link zum Thema Pandemiejahre 2020/21:
Pandemiejahre 2020/21 - Teil 4
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