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WG-Geschichten - Das Wundertischchen das Wärme gibt

  • lisaluger
  • 26. Dez. 2022
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 1. Juni 2023


(DE) Der Winter 1979/80 war sehr kalt in Berlin. Die Stadt war schön in diesem Winter. Der Schnee lag hoch und es machte Laune durch die verschneiten Straßen zu stapfen. Weniger Freude hatte ich allerdings an unserer eiskalten Wohnung. Natürlich bewohnten wir, meine beiden Klassenkameradinnen an der Schule für Erwachsenenbildung e.V. und ich, eine billige und nicht renovierte Altbauwohnung ohne Zentralheizung, aber mit Kachelofen, ohne Dämmung der Wände, mit hohen Räumen und zugigen Fenstern.



Das Wundertischchen das Waerme gibt
Das Wundertischchen das Waerme gibt

Mein Zimmer war das kälteste. Durch die Fenster und zwei Balkontüren pfiff der kalte Wind. Auch wenn ich meinen Kachelofen ordentlich mit Briketts fütterte, die Zimmertemperatur überstieg kaum 16 Grad.

Das war die Zeit, in der ich für mein Abitur lernen musste. Aber es war nicht daran zu denken, am Schreibtisch zu sitzen, um zu arbeiten. Stattdessen saß ich in Decken eingewickelt im Bett mit all meinen Büchern um mich herum und bereitete mich auf die Prüfung vor. Das Bett hatte ich so im Raum platziert, dass ich mit dem Rücken am Kachelofen lehnen konnte und es mir ein bisschen wärmer wurde. Die Szene erinnerte ein wenig an das Bild Carl Spitzwegs „Der arme Poet“, bloß dass es sich nicht im Geringsten idyllisch anfühlte.

Es half alles nichts, mehr war nicht zu machen.


Auch hinsichtlich der Beschaffung von Kohlen für den Kachelofen musste ich mir eine Strategie überlegen.

Da in jedem der drei Zimmer ein Kachelofen als einzige Wärmequelle stand, hatten wir einen hohen Bedarf an Briketts. Wir hatten zwar rechtzeitig genügend Kohlen bestellt und auch geliefert bekommen, aber die lagerten natürlich im Kohlenkeller. Das ist ein richtiger Altbau-Keller, in dem vermutlich schon im vorigen Jahrhundert Kohlen und Kartoffeln, Kohl und Geräte aller Art gelagert worden waren. Im Zweiten Weltkrieg hatten hier vermutlich die Menschen Schutz gesucht und später alles Überflüssige abgestellt und vergessen. Dieser Keller war dunkel, roch modrig, wurde wahrscheinlich von Mäusen oder Ratten bewohnt, mit Sicherheit aber von Spinnen und Kakerlaken aller Art. Keine von uns traute sich allein hinunter. Es kostete jedes Mal Überwindung Kohlen aus dem Keller zu holen.


Nun hatten meine Mitbewohnerinnen die Angewohnheit wenn es in unserer Wohnung zu kalt wurde für ein paar Tage zu Freunden mit wärmeren Wohnungen zu ziehen. Diese Option hatte ich nicht. Also blieb ich allein zurück, mit der Kälte, dem Kachelofen und dem Kohlenkeller. Was blieb mir anderes übrig, als allein hinunter zu stapfen, so viel Briketts wie möglich einzusammeln und nach oben zu schleppen. Ich wollte mir ja dieses Gruseln nicht allzu oft antun!

Oben in der Wohnung stapelte ich meinen Vorrat stolz und zufrieden auf und freute mich, dass ich erst einmal nicht mehr in den Keller musste.



Wenn dann meine Mitbewohnerinnen aufgewärmt zurückkamen, freuten sie sich sehr über den Vorrat an Brikett und heizten ordentlich in ihren Zimmern ein. Doch keine machte irgendwelche Anstalten, den Vorrat wieder aufzufüllen.


Frustriert arbeitete ich daher an einem Plan, wie ich einen Kohlenvorrat anlegen könnte, an dem sich meine Mitbewohnerinnen nicht gedankenlos bedienten. Der Gang in den Keller war schließlich für uns alle eine Qual, auch für mich.

Und tatsächlich hatte ich eine Idee!


Ich baute aus den Briketts in meinem Zimmer einen Tisch. Damit niemand Verdacht schöpfte, tarnte ich meinen Kohlenvorrat mit einer hübschen Tischdecke.

Niemandem fiel auf, dass der Tisch manchmal niedrig war wie ein Couchtisch und dann wieder fast so hoch wie ein Esstisch. Man wunderte sich nur darüber, dass es in meinem Zimmer immer warm war, aber niemals ein Vorrat an Briketts herumlag, an den man sich hätte bedienen können. Niemand dachte daran dass es mein Wundertischchen war, das Wärme abgab.

(LL)



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