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Waschen, Wasser und andere Probleme

  • Autorenbild: anon
    anon
  • 20. Nov. 2022
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 31. Mai 2023

(DE) „Oomaa!“, rufe ich wie fast immer panisch, sobald ich die Haustüre des Mietshauses passiert habe, in dem wir wohnen. „Ich muss aufs Klo! Schnell!“, ergänze ich unnötigerweise zur Erklärung. Unnötigerweise, weil meine Oma weiß, was zu tun ist. Wohnungstüre aufhalten und Klotüre aufhalten, damit ich durchstarten kann. Immerhin wohnen wir im zweiten Stock und das ist für ein Kindergartenkind ganz schön weit. Normalerweise klappt das wie am Schnürchen. Aber diesmal kommt Omas Stimme aus dem Keller: „Geh nauf, die Tür is offen. I komm glei.“

Waschtag in den 50ern

So, das war’s! Mein Wohlbefinden ist dahin und meine Stimmung verfinstert sich augenblicklich. Heute ist es also wieder soweit! Ich hasse diese Tage! Morgens ist die Welt noch in Ordnung und dann kommt man mittags heim und es ist Waschtag! Das bedeutet, es gibt kein richtiges Essen, sondern Pfannkuchen. Alle, aber wirklich alle Beteiligten sind genervt bis in den späten Abend hinein. Und vom Kind will keiner was hören, sehen oder spüren.

Aus dem Weg, hier kommt die Wäsche!

Was für mich als Kind in den 50er Jahren so unangenehm war, war für die damaligen Hausfrauen noch viel stressiger. Es war ein regelrechter Knochenjob. Um die Wäsche der Familie zu waschen, trug man sich in eine Liste für die Nutzung des Waschhauses im Keller ein und konnte dann an diesem Tag seine Wäsche, vom Stofftaschentuch (andere gab es ja nicht) bis zur Bettwäsche, alles in großen Trögen waschen. Das Wasser in den Waschkesseln wurde mit Holz und Kohle erhitzt. Dann holte man beispielsweise die Laken mit riesigen Holzzangen aus dem kochend heißen Wasser, schrubbte und bürstete den Schmutz aus dem Gewebe und legte sie schließlich zum Spülen in andere Wasserbehältnisse. Schließlich wurden die Wäschestücke von Hand ausgewrungen und in Körben in den Hinterhof getragen, wo man sie an Wäschestangen trocknen konnte. Im Winter oder bei Regenwetter schleppten die Frauen die schweren Körbe auf den Speicher im 3. Stock, wo es auch Wäscheleinen gab.

Kein Wunder also, dass die Frauen an Waschtagen arg grantig waren.

Waschen konnte für kleine Kinder gefährlich werden!

Manchmal war das Wäschewaschen für Kinder nicht nur ein Stimmungskiller, sondern auch sehr gefährlich. Eine meiner Tanten kochte, wie andere junge Mütter auch, die Windeln ihres Babys täglich in der Wohnung aus. Es gab ja schließlich nur Stoffwindeln. Die Wanne mit der heißen Lauge, in der die Windeln eingeweicht wurden, stellte sie auf den Boden. Als ihr älterer Sohn, auch noch sehr klein, rückwärts tappte, fiel er in die Lauge und trug schwerste Verbrennungen davon. Er überlebte nicht. Der Schock saß tief in der Familie und bei Nachbarn. Mir ist Gottseidank kein weiterer tragischer Unfall bekannt.

So hatte die gruselige und von allen gehasste Waschküche im Keller auch ihr Gutes. Kinder waren außer Gefahr. Und am Ende des Tages konnte man vielleicht sogar selbst in den Waschtrog steigen, um zu baden.

Eine eigene Toilette - was für ein Luxus!

Ein Badezimmer gab es in vielen Wohnungen ja nicht. Die städtische Wohnung meiner Oma, heute würde man Sozialwohnung sagen, war jedoch sehr modern, denn es gab, man höre und staune, eine Toilette in der Wohnung. Das war keineswegs eine Selbstverständlichkeit. In vielen Mietshäusern teilten sich die Bewohner einer oder zwei Etagen eine Toilette im Hausflur. Bei meiner Urgroßmutter in Augsburg war das noch in den 60er Jahren so.

Ein eigenes Badezimmer - ein Traum!

Vier Erwachsene und ich lebten in den 50ern in einer winzigen Zwei-Zimmer-Wohnung ohne Bad. Keiner hat gejammert. Von einem eigenen Badezimmer träumte man zu der Zeit in meiner sozialen Schicht noch nicht einmal.

Wir waren nicht direkt arm, aber einfacher Durchschnitt. Die Mietshäuser, in denen wir alle lebten, waren in den 30er Jahren erbaut worden. Meine Großmutter war seit 1933 Witwe mit 3 Kindern, wovon das jüngste, meine Mutter, 1933 geboren worden war. Als ich 1953 als uneheliches Kind das Licht der Welt erblickte, lebte ich mit meiner Oma und ihren drei erwachsenen Kindern in ihrer kleinen Wohnung. Sie bestand aus einer Wohnküche, einem kleinen Schlafzimmer und einem noch kleineren schlauchartigen Zimmerchen, das von der Küche abging. Einziger Luxus war eben besagte eigene Toilette, aber natürlich ohne Handwaschbecken.


Aus dem einzigen Wasserhahn kam nur kaltes Wasser.
Oma hantiert an der einzigen Wasserquelle ihrer kleinen Wohnung.

Die einzige Wasserquelle in der Wohnung war ein gußeisernes Waschbecken in der Küche. Dort gab es ausschließlich kaltes Wasser. Unser Holz- und Kohleherd hatte eine eingebaute Wasserwanne, aus der man immer, wenn geheizt wurde, warmes Wasser schöpfen konnte.

Noch in den 70ern war die Sanitärausstattung in diesen Wohnblöcken unverändert einfach. Warmes Wasser aus der Leitung – Fehlanzeige!


Unser Badezimmerersatz war auch sehr raffiniert. Ein quadratischer Schemel in Sitzhöhe. Wenn man ihn aufklappte, wurde ein emaillierter Einsatz sichtbar, der sogar eine integrierte Seifenschale aufwies. Dieses „Badezimmer“ konnte im zugeklappten Zustand als Sitzgelegenheit genutzt werden oder es wurde zur Wahrung der Intimsphäre bei der Körperpflege in ein anderes Zimmer getragen. Meistens wuschen sich die Familienmitglieder jedoch in der Küche und scheuchten den Rest der Belegschaft in die Zimmer, wo sie auszuharren hatten, bis der Körperhygiene Genüge getan war.

Körper- und Wäschepflege war ohne eigenes Bad in den 50er Jahren sehr aufwendig und musste sehr gezielt geplant werden.

Ich frage mich, ob es gerechtfertigt ist, diese Umstände mild und mitleidig zu belächeln. Ja, es war umständlich und genügte unseren heutigen Hygienevorstellungen nicht. Aber sehen wir uns einmal die Schattenseiten der modernen Entwicklung an.

Mit dem Komfort kam die Verschwendung.

Häufiges Duschen oder Baden ist für die Haut schädlich und der Wasserverbrauch ist insgesamt um ein Vielfaches höher als in den 50er Jahren. Die Menschen hatten wesentlich weniger Kleidungsstücke, die auch nicht so häufig gewaschen wurden, gerade wegen der Umständlichkeit. Man legte die Straßenkleidung ab, wenn man zu Hause war. So wurden die Textilien geschont und mussten nicht so häufig gewaschen werden. Das Ausbürsten von Straßenkleidung und Auslüften der Anziehsachen war eine übliche Reinigungsmethode.

Als Polyesterhemden jedoch Mode wurden und synthetische Textilien in die Kleiderschränke Einzug hielten, war mit bürsten und lüften nichts mehr zu machen. Das Zeug entwickelte unangenehme Gerüche, wenn man schwitzte, und sorgte aufgrund seiner Beschaffenheit dafür, dass man ordentlich schwitzte.

Heute tragen wir zwar angenehmere Materialien, haben uns aber daran gewöhnt, billige Wegwerfmode massenhaft in unseren Schränken zu horten.

Waschen ist ja sowieso kein wirkliches Thema mehr, also wechselt kaum noch jemand zwischen Straßen-, Haus- Sonntagskleidung ab, um Kleidung zu schonen. Und auch die Schürze ist keine Selbstverständlichkeit mehr in unseren Küchen. Hübsch und modisch gekleidet zu sein und das in allen Lebenslagen, hat Priorität.

Häufiges Waschen? No Problem! Verwaschene T-Shirts? Wegwerfen! In jeder Saison wechseln jährlich sowieso die angesagten Farben, die neuesten Schnitte usw.. Wer trägt schon noch langjährige Lieblingskleidungsstücke?!

All die Umwelt- und humanitären Probleme, die bei der Produktion und Entsorgung billiger Wegwerfmode entstehen, sind der Preis für dieses Konsumverhalten.

Ich frage mich, ob wir nicht manches Ritual aus den 50ern überdenken sollten, natürlich ohne in die finstere Waschküche zurückkehren zu müssen. (TA)

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