FRAGMENTE EINER KINDHEIT, LYMPSTONE, SOUTH DEVON
- lisaluger
- 16. Juni
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 25. Juni
(UK) Mein Vater, der 1912 geboren wurde, wuchs in einem kleinen Kohlebergbaudorf in den Tälern von Südwales auf. Die Grube bot damals fast allen Arbeitern einen „Job fürs Leben“, nicht aber meinem Vater, der sich für Mechanik begeisterte, insbesondere für Autos und Motorräder. Deshalb verließ er sein Heimatdorf, um bei Morris Motors in Cowley, Oxfordshire, zu arbeiten.
Er wohnte in einem Zelt. Meine 1915 geborene Mutter, die in einem benachbarten walisischen Dorf lebte, war nach Oxford gezogen, als sie Anfang 20 war. In einem Pub in Oxford haben sie sich kennengelernt und sie zog zu ihm, als er eine geeignetere Unterkunft gefunden hatte. Später zogen sie nach Croydon, da mein Vater in der „Ford Dagenham“-Fabrik im Osten Londons Arbeit gefunden hatte. In Croydon heirateten sie.

Unmittelbar nach dem Krieg beschlossen die beiden, nach Devon (eine Grafschaft im Süden Englands) zu ziehen. Vater ging zuerst. Er fand eine als Werkstatt geeignete Garage, die er mieten konnte, denn er wollte sich als Mechaniker selbständig machen. Und er mietete ein abgelegenes Cottage auf Crown Land (Eigentum der Britischen Krone) für vierzehn Schilling pro Woche. Das war dann für die nächsten fünfzehn Jahre das Zuhause unserer Familie. Meine Schwester wurde dort 1947 geboren und ich folgte 1950. Aber vor unserer Geburt kam mein Vater mit einem wunderschönen Welsh Collie Welpen namens Gyp nach Hause - treu, intelligent ... Mamas Hund.
Erinnerungen an das Haus meiner Kindheit in Devon
Das Haus meiner Kindheit, Middlecombe Cottage, lag zwischen der Upper und Lower Combe Farm. Es war ein altes Wildhüterhaus, das lange leer gestanden hatte und vernachlässigt worden war, als mein Vater es entdeckte. Er sah darin eine Chance, dem schmutzigen, zerbombten Croydon der Nachkriegszeit zu entfliehen. Der Arbeitsplatz in der Ford-Fabrik in Dagenham wurde gegen eine eigene Werkstatt in einer Dorfgarage eingetauscht. Vater war zufrieden!
Meine Mutter weinte allerdings, als sie das baufällige und verkommene Wildhüterhaus sah. An wen hatte er bei der Entscheidung wohl gedacht? Sicher nicht an sie.

Sie stürmte erstmal davon ins nahe gelegene Exmouth zum Einkaufen, und mein Vater putzte in ihrer Abwesenheit den alten Herd, um ihren Schock beim Anblick des Anwesens abzuschwächen. Bei einer Tasse Tee fühlte sie sich schon besser. Gemeinsam tünchten sie die Wände innen und außen, schrubbten die Dielen im Obergeschoss und die Steinböden im Erdgeschoss und errichteten einen Anbau, in dem ein Kupferkessel, eine Wäschemangel und eine Innentoilette untergebracht waren. Etwas modernisiert, aber auch für die damaligen Verhältnisse immer noch primitiv. Das kleine Anwesen nahm Gestalt an. Die Wanderer hielten an, um das Schneewittchen-Häuschen mit den rosa Rosen, die sich um das Gartentor rankten, zu bewundern. Der Bach, der neben dem Haus vorbei floss, war voller Brunnenkresse und wilder Iris.
Ich erinnere mich an die Schwalben, die im Strohdach nisteten, die Schleiereulen, die auf dem Dach ein- und ausflogen, die Fledermäuse in der Dämmerung und die einsame Amsel, die in der Spitze des Apfelbaums sang, um das Ende des Tages zu verkünden. Hecken und Wiesen voller Primeln, Veilchen, Mini-Narzissen, Fingerhüte und Schneeglöckchen, Glockenblumenfelder unter den Bäumen, Äpfel in Hülle und Fülle, saftige Brombeeren, Pilze in Feenringen, Kuckucke und Lämmer im Frühling, Rotkehlchen im Winter. Wir fischten Stichlinge in eiskalten Fließgewässern, spielten in Heuschobern und bauten Höhlen im Wald. Unser alter walisischer Collie wachte über uns, ohne dass er Zuneigung brauchte oder wollte, während unsere halbwilden Katzen kopflose Kaninchen brachten, die sie meiner Mutter zu Füßen legten - „braver Junge“, sagte sie und wurde noch blasser.
Ich erinnere mich an beliebige Dinge - an den Besuch meiner Großeltern im Sommer, was Tagesausflüge nach Brixham, Torquay und in den Zoo von Paignton bedeutete, an die Weihnachtspantomime in Exeter, an das Anstehen an der Kinokasse für den Film die „Zehn Gebote“, an das Essen einer Knicker-Bocker-Pracht (ein riesiger köstlicher Eisbecher mit Früchtesyrup) in einer Milchbar, an das Salzwasser-Freibad in Exmouth, Palmen an der Strandpromenade, die Überschwemmungen von 1959, Myxomatose bei Wildkaninchen, ein Hornissennest unter der Dachtraufe, meine Angst, im Dunkeln mit dem Fahrrad nach Hause zu fahren, bis ich die Reflexion von Gyps Augen im Schein meiner Radlampe sah und wusste, dass ich in Sicherheit war; echte Kerzen am Weihnachtsbaum, Äpfel auf Zeitungspapier unter unseren Betten, Kokosnussmatten, die sich nie abnutzten, gesmokte Kleider, Liberty-Mieder und das Sparen unseres Kirchenkollektengeldes für den Kaugummiautomaten.
Ich erinnere mich auch an den Geruch von grüner Seife, an Sonntagsbraten, Apfelkuchen und Scones am Sonntag, an Geißblatt an einem warmen Tag, an Kuhfladen an einem heißen Tag, an Dampfpuddingkuchen an einem kalten Tag.
Wir waren glücklich und gesund, aber insgeheim beneideten wir die Kinder im Dorf, die auf der Straße spielten, ein Badezimmer hatten, warmes Wasser aus dem Wasserhahn bekamen und zum Laden laufen konnten. Für sie waren es fünf Minuten Fußweg zur Schule, für uns eine Stunde bei Wind und Wetter - ein Unterschied, der zum Anlass genommen wurde, uns zu ärgern. Tropfnasse Kleidung, aufgesprungene Beine, erfrorene Hände, schlammige Stiefel. Am Schultor standen keine Autos, es gab keine Mitfahrgelegenheiten, und ein Besuch bei uns zu Hause war ein seltenes Ereignis. Wir waren zu isoliert, als dass Kinder zum Spielen hätten kommen können. Wir sahen Fernseher, wenn wir an den Fenstern vorbeiliefen, Telefone, die klingelten, und elektrisches Licht, das mit einem Knopfdruck ein- und ausgeschaltet wurde.
Wenn jemand gefragt hätte, wir hätten getauscht, zumindest für ein paar Tage in der Woche. Ich glaube, meiner Mutter ging es auch oft so - Wäsche aufhängen um sechs Uhr morgens, gefolgt von dem unbarmherzigen Bügeleisen, das die besten Kleidungsstücke im Handumdrehen verbrennen konnte. Sie kochte, verarbeitete und konservierte ständig, um mit den riesigen Mengen an Obst und Gemüse Schritt zu halten, die in der fruchtbaren roten Erde gediehen, und zusammen mit einer Vielzahl von Blumen am Gartentor ein kleines, aber stetiges Einkommen erzielten.
Das heißt, wenn die Fuchsjagd nicht in unserem liebevoll gepflegten Garten Amok lief, denn das Haus und das Land gehörten der Krone. Keine Entschuldigung des reitenden Adels, Fuchs hin oder her. Kein Fuchs, so hofften wir, nur um ihnen den Spaß zu verderben.
Abends saß meine Mutter auf der Treppe, eine Tasse Tee in der Hand, Gyps an ihrer Seite und lauschte der Amsel, ein ruhiger, zufriedener Moment, und dann stopfte sie pflichtbewusst Socken zu Tode und strickte beigefarbene Strickjacken, weil "beige zu allem passt". Meine Schwester und ich saßen auf der Treppe und spitzten die Ohren, um die Beiträge der Radio-Sendungen wie The Navy Lark und Hancock's Half Hour mitzubekommen. Meine Mutter lachte, die Nadeln klickten.
Wir wünschten uns, sie könnte Zeit finden, um mit uns zu spielen, um einfach nur liebevoll mit uns zusammenzusitzen, aber ihr Leben war Arbeit und Arbeit war ihr Leben.
Eines Tages schrubbte sie den Küchenboden und dachte: "Wenn ich doch nur zehn Pfund pro Woche verdienen könnte!“ Es folgte eine Reihe körperlich anstrengender Jobs. Auch mein Vater arbeitete rund um die Uhr in der Garage und im Haus - Heimwerken und Gartenarbeit ohne Ende. Das war eine Art “gutes Leben” auf der Basis harter Arbeit.
Wir hätten dort glücklich und zufrieden leben können. Aber es stellte sich heraus, so meine Mutter, dass die Leute, je reicher sie sind, desto seltener ihre Rechnungen bezahlen. Die Werkstatt litt darunter und ging schließlich in Konkurs.
Wir verließen Devon 1960, als ich zehn Jahre alt war.
Zurück zu den walisischen Wurzeln
Das gemeinsame walisische Erbe führte Mutter und Vater zurück zu ihren Wurzeln nach Wales - diesmal nach Swansea. Die Ford Motor-Fabrik war von Prestcold Refrigerators (die Kühlschränke bauten) übernommen worden und Papa erhielt eine Stelle in leitender Position.
Wir wohnten nun in einer Wohnung im 3. Stock mit Blick auf das Meer - meine Mutter hasste es lange Zeit. Es fiel ihr schwer, sich nach dem Cottage in einer Wohnung einzuleben, und so hart die Arbeit für sie auch gewesen war, so schwer war es auch, von dort wegzugehen.
Insbesondere hasste sie die Wäscheleine, die zwischen einem kleinen hinteren Fenster und einer gegenüberliegenden Felswand gespannt war. Ihr Rücken tat weh, wenn sie sich aus dem Fenster lehnen musste, obwohl die Leine mit einer Winde hin- und hergezogen werden konnte.
Auch die vier Treppenstufen gefielen ihr nicht besonders! Wir alle fanden es schwierig, zurechtzukommen, jeder auf seine Art und Weise. Doch für meine Schwester und mich war es einfach ein Paradies im Vergleich zum Leben im Cottage auf Crown Land in Devon. Wir hatten nun Strom, warmes Wasser, ein Bad, einen Schulbus, Nachbarn und Freunde! Wir sind nie wieder nach Devon zurückgezogen.

Ich habe auch nie den Drang verspürt, zum Landleben zurückzukehren - für mich ist es schön, aufs Land zu fahren, aber nicht auf dem Land zu leben. Erinnerungen sind genug. (JH)




