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Krieg in der Ukraine - Teil 2/4

  • titanja1504
  • 2. Feb. 2023
  • 8 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 16. Juni 2023

Russlands Kriegsziele mysteriös - Russlands Strategie rätselhaft?

(DE) Ein böses Erwachen müsste es derzeit auf jeden Fall für die russische Regierung, genauer gesagt für den russischen Präsidenten Putin geben. Dieser Krieg scheint nicht so zu laufen wie geplant. Jedenfalls wird das in den europäischen Medien so kolportiert.


Ich wollte mich aber selbst mit den Aussagen auseinandersetzen und habe daher eine Übersetzung der als Kriegserklärung bezeichneten Rede Putins im russischen Fernsehen gelesen und versucht zu analysieren.

Inhalte der TV-Ansprache Präsident Putins am Vorabend des Einmarsches

Diese nächtliche halbstündige Ansprache am Vorabend des russischen Einmarsches in die Ukraine am 24. Februar 2022 wurde von fast allen großen Zeitungen, Zeitschriften und Sendern im Wortlaut in deutscher Übersetzung online veröffentlicht.


Ein Link zur Webseite der „Zeit-online“: Ausschnitte der Rede Präsident Putins im Wortlaut.


Die Presse bezeichnet diese Rede als „Kriegserklärung“, weil die Invasion der russischen Armee von den westlichen Staaten und der Ukraine Angriffskrieg genannt wird, während in Russland Medien, Politiker und Militärs den Einmarsch und die Kämpfe „Spezialoperation“ nennen müssen.


Aber welches Anliegen wird in dieser Ansprache explizit ausgedrückt? Das aus seinem Mund zu hören bzw. zu lesen, kann Aufschluss geben über die Zielsetzungen dieses Krieges bzw. dieser Spezialoperation.

-Auf Augenhöhe mit den USA

Schwerpunktmäßig befasst sich diese Rede mit der Missachtung der russischen Sicherheitsinteressen durch die westlichen Bündnisse, besonders durch die von den USA dominierte Nato. Russland habe, so Putin, sich in 30 Jahren um Sicherheitsstandards in Europa bemüht und sei respektlos behandelt und in seinem Anliegen ignoriert worden.

Grund dafür sei die Schwäche des Landes nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gewesen. Die USA würden lügen und überall auf der Welt ihre Interessen durchsetzen, auch mit Gewalt und Terror.

Putin erinnert an das gebrochene Versprechen der Westmächte, keine Ost-Erweiterung der Nato zu betreiben, und stellt im Gegenzug die Wiedererlangung von militärischer Stärke Russlands auch als Atommacht heraus. (Sinngemäß zusammengefasst)


Im Wortlaut heißt es lt. Zeit-online allerdings: „…heute eine der mächtigsten Nuklearmächte der Welt und verfügt darüber hinaus über bestimmte Vorteile bei einer Reihe modernster Waffensysteme. Es sollte daher kein Zweifel daran bestehen, dass ein direkter Angriff auf unser Land zu einer Niederlage und schlimmen Konsequenzen für jeden potenziellen Angreifer führen würde (…)“


In meinen Augen geht es ihm also tatsächlich darum, Stärke zu zeigen, Respekt einzufordern, einem Angriff vorzubeugen und als militärischer Gegner auf Augenhöhe wahrgenommen zu werden.


Mit dem „modernen Waffensystem“ sind wahrscheinlich die 2018 von Putin präsentierten Hyperschallraketen gemeint, die mit Nuklearsprengköpfen bestückt werden können, bei hoher Geschwindigkeit manövrierfähig sind und eine Reichweite von 2.000 Kilometern haben.

Die Nato-Mächte haben bisher keine entsprechenden Abwehrmöglichkeiten entwickelt und fürchten diese Waffe sehr.


Was aber hat das mit dem Angriff auf die Ukraine zu tun?

Inwiefern bringt die Hyperschallrakte einen strategischen Vorteil im Kampf gegen die USA auf ukrainischem Gebiet?

Kam ein Vorteil im Verlauf des Kriegsjahres zum Tragen?


Dieser Waffenaspekt, diese Drohgebärde ruft bei mir noch mehr Fragen hervor, deren Beantwortung derzeit nicht möglich ist. Zumindest für mich.


-Wer bedroht Russland oder wen bedroht Russland?

Aber Putin geht in seiner Ansprache auch auf eine ganz konkrete Bedrohung ein.

Er spricht von „angrenzenden Gebieten“, die „eigene historische Gebiete“ seien, aber als „feindlich gesinntes Anti-Russland“ von außen aufgebaut und kontrolliert würden. Er behauptet, diese Gebiete seien von den Streitkräften der Nato-Länder „intensiv besiedelt“ und würden mit neuesten Waffen ausgerüstet.


Nun geht es darum, die Worte zu interpretieren bzw. zuzuordnen.


Er spricht von Gebieten, also im Plural, also nicht nur von der Ukraine. Er spricht von Nato-Streitkräften in diesen Gebieten und massiver Aufrüstung.


Die baltischen Staaten, Estland, Lettland, Litauen sind tatsächlich Nato-Mitglieder, antirussisch und können gar nicht genug mit Waffen ausgestattet werden.

Die Ukraine ist wider Willen kein Nato-Mitglied, in den letzten Jahren zunehmend antirussisch eingestellt und offensichtlich zur militärischen Zusammenarbeit mit der Nato bereit.


Denkt man an das Gebiet der Sowjetunion, so sind die baltischen Staaten, die Ukraine und die Republik Moldau „eigene historische Gebiete“, die gemeint sein könnten.


Allerdings reicht die historische Verbundenheit Russlands mit der Kiewer Rus Jahrhunderte zurück.

Foto Rascher: Nationalmuseum der Geschichte des Zweiten Weltkrieges in Kiew. Russen und Ukrainer kämpften gemeinsam gegen die deutschen Faschisten.
Foto Rascher: Nationalmuseum der Geschichte des Zweiten Weltkrieges in Kiew. Russen und Ukrainer kämpften gemeinsam gegen die deutschen Faschisten.

Diese historische Identitätsfindung der Ukraine und auch Russlands ist eines Streits zwischen Historikern würdig, aber eigentlich kein Kriegsgrund. Wenn man jedoch in die Welt blickt, beispielsweise in den Nahen Osten, dann klingt das Problem nicht mehr so absurd.

Es gibt einen gewissen Interpretationsspielraum hinsichtlich des Begriffs „Gebiete“.

Sind damit die Gebiete im Donbass Luhansk und Donezk und Transnistrien in der Republik Moldau gemeint, die sich abgespalten haben und Russland zugeneigt sind? Die Volksrepubliken im Osten der Ukraine sind jedenfalls tatsächlich russischsprachig, pro-russisch und werden von Seiten der Ukraine als Separatisten seit acht Jahren bekämpft.


Oder bedeutet das, dass den angrenzenden baltischen Staaten ebenfalls ein Angriff bevorsteht. Im Gegensatz zu den Separatistengebieten sind diese Staaten Nato-Mitglieder. Die betroffenen Staaten fühlen sich bedroht und die Nato pumpt derzeit noch mehr Waffen und Soldaten in die Region.


Damit wird die Gefahr eines Weltkrieges heraufbeschworen, denn wenn Nato-Mitglieder angegriffen würden, wäre das ein Bündnisfall.

-Grund für den Angriff auf die Ukraine

All diese Überlegungen sind derzeit Spekulationen, denn es wurde die Ukraine angegriffen und dazu äußert sich der russische Präsident explizit:


Entnazifizierung und Entmilitarisierung der Ukraine sowie der Sturz des faschistischen Regimes dienen dazu, den seit acht Jahren anhaltenden Völkermord im Donbass zu verhindern, die unabhängigen Volksrepubliken Luhansk und Donetsk im Donbass und die Krim zu schützen.


Laut Übersetzung will Präsident Putin nicht die ganze Ukraine besetzen.


Betrachtet man den bisherigen Kriegsverlauf, dann stimmt das mit der von ihm genannten Zielsetzung überein.


Die Einnahme von Kiew sollte den Sturz der Regierung Selenskijs ermöglichen. Da kein Gegenkandidat aufgebaut worden war, sollte wahrscheinlich das Militär verwaltungstechnische Aufgaben im Auftrag des Kreml übernehmen und alle militärischen Operationen im Osten und im Süden verhindern.


Dieses Ziel wurde aber offensichtlich nicht erreicht, denn die russischen Truppen mussten unverrichteter Dinge Anfang April 2022 abziehen, aber nicht in Richtung Heimat, sondern in den Osten. Wie er schon in seiner Rede angekündigt hatte, haben für ihn und die russischen Interessen die Volksrepubliken Priorität.

Vielleicht war der Angriff auf Kiew tatsächlich eine Kriegslist, um ukrainische Truppen abzulenken und am falschen Ort zu versammeln, wie ein ehemaliger Nato-General vermutet.


Dass sich das Kriegsgeschehen im Mai 2022 ausschließlich auf den Osten des Landes, den Donbass, Mariupol und womöglich bis hin nach Odessa erstreckt, entspricht ebenfalls der geäußerten Zielsetzung.


Man muss ihm eigentlich wirklich nur zuhören, wenn man wissen will, was er vorhat.

Mögliche Zielsetzungen und Strategien Russlands, ein Erklärungsversuch

Für mich steht fest, dass Russlands Präsident die Ukraine tatsächlich für gefährlich erachtet, denn sie strebt in die EU, in die Nato und unterhält enge Beziehungen zu US-Präsident Joe Biden.

Diese Allianz, in Kombination mit stetig wachsender Russlandfeindlichkeit in Kombination mit propagandistisch aufgebautem Nationalismus, ist aus russischer Sicht äußerst beunruhigend und daher nicht akzeptabel. (Ganz abgesehen davon, dass ähnliche Entwicklungen auch in Russland stattfinden.)


Die Unterstützung und Anerkennung der Volksrepubliken und die Annexion der Krim waren wie ein Fuß in der Tür zur Ukraine, um ein Bild zu benutzen.


Russland und die Ukraine waren und sind eng verbunden. Die Zeiten, da sich beide Völker als Brüder fühlten, liegen noch nicht lange zurück. Anfeindungen, Drohungen und Verrat unter Brüdern schmerzen nicht nur mehr, sondern rufen auch existenzielle Ängste hervor. Gegen diese Ängste anzukämpfen könnte ein Motiv Russlands sein.

-Ein mögliches konkretes Ziel könnte die massive Destabilisierung bzw. Zerstörung der Ukraine sein.

Einerseits, um sie als Armenhaus möglichst unattraktiv für Nato und EU zu machen, und andererseits, um die baltischen Staaten in ihrer Hingabe an den Westen auszubremsen.

Und auch Polen sollte nicht ungeschoren davonkommen. Der anhaltende und gigantische Flüchtlingsstrom aus der Ukraine wird über kurz oder lang dieses Land destabilisieren. Der Versuch 2021, Polen über Belarus mit Flüchtlingen gezielt zu fluten, ist ja gescheitert, da Polen Stacheldrahtzäune aufbaute und rigoros gegen Flüchtlinge vorging.

Aber die Ukrainer sind Nachbarn, da ist nicht einmal Polen bereit, unmenschlich zu handeln. Zumindest in der ersten Zeit!

-Eine zu Beginn des Krieges öfter diskutierte Zielsetzung ist die Spaltung der Ukraine in die nach Europa orientierte Ukraine im Westen und in die russisch orientierte Ukraine im Osten und im Süden am Asowschen und Schwarzen Meer.

Dieses Szenario erscheint mir wenig wahrscheinlich, da mit massiven Widerständen zu rechnen wäre. Ukraine und Nato sowie die EU und die USA würden keinen Vorteil in diesem Kompromiss erkennen und die Anwesenheit der russischen Flotte misstrauisch beäugen. Und auch China, das ja ebenfalls ein Auge auf die Ukraine geworfen hat, um dort seine Seidenstraße mit Knotenpunkt in Kiew aufzubauen, wäre mit so einer spannungsgeladenen Situation nicht zufrieden.

-Ist die Neutralität der ganzen Ukraine das Ziel der russischen Invasion? Möglich! Es könnte folgende Strategie dahinter stecken:

Die Welt wird sich an den Krieg in der Ukraine gewöhnen wie sie sich an den Krieg in Syrien, in Afghanistan oder an den kriegsähnlichen Zustand im Nahen Osten oder in Myanmar gewöhnt hat. Jedes Land dieser Welt wird aufgrund dieses Krieges, aufgrund der Klimakrise, der Pandemie-Auswirkungen und dergleichen Gründe mehr, eine Fülle an ureigensten Problemen zu bewältigen haben. Diese werden eines nicht allzu fernen Tages in den Vordergrund treten.


Und die Welt wird nach einer Weile nicht mehr wissen, warum es eigentlich Krieg in der Ukraine gibt.

Die Welt wird sich daran erinnern, dass es dieses Land erst durch den Krieg kennengelernt hat und vorher eigentlich keine tiefergehenden Beziehungen pflegte.

Die Welt wird darüber nachdenken, wieso man jahrelang Geld, Waffen und Hilfsgüter in dieses Land schickt.

Die Welt wird sich fragen, warum dieses Land nicht einfach neutral wie die Schweiz ist.

Die Welt wird Frieden um jeden Preis wollen.


Die Welt wird Friedensverhandlungen forcieren und die Interessen aller Beteiligten, einschließlich Russlands, werden berücksichtigt werden.

Und es wird Interessenten am Wiederaufbau der zerstörten Ukraine geben.

Ich denke da besonders an China, das schon ganz andere Länder mit seinen Kreditprogrammen und Infrastrukturprojekten in seine Abhängigkeit gebracht hat. Die USA, die ja auch immer gern am Aufbau mitverdienen, auszustechen, wird China leicht fallen, denn niemand weiß, wer in ein paar Jahren die USA regiert und welche Prioritäten und Affinitäten Vorrang haben werden. Von China weiß man das schon und man kennt auch das Ziel, nämlich den Ausbau der neuen Seidenstraße durch die Ukraine und die massive Erweiterung seiner Einflusszone.


Allerdings würde ein langer Krieg für Russland ebenfalls eine hohe wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Belastung sein. Man denke nur an die Auswirkungen des Afghanistankrieges.

-Nehmen wir zum Schluss die „Klassiker“ unter den Kriegsgründen und -zielen in Augenschein!

Russlands veraltete Waffenbestände aus Sowjetzeiten werden durch einen Krieg entsorgt und eine moderne Aufrüstung findet notwendigerweise statt. Ob aus eigener Produktion oder durch Importe aus China oder anderen Staaten, die sich an der Ächtung Russlands nicht beteiligen bzw. diese zu umgehen wissen, sei dahingestellt.

Auf jeden Fall ist die Rüstungsindustrie als Wirtschaftsmotor gut zu gebrauchen.


Ein Verteidigungskrieg, wie der Ukrainekrieg ja in Russland wahrgenommen wird, eint die Gesellschaft, macht sie manipulierbar und wirkt eine gewisse Zeit stabilisierend. Die Regierung sitzt fest im Sattel, wenigstens zu Beginn.


Hinter Präsident Putin nehmen vielleicht graue Eminenzen aus Wirtschaft (Oligarchen) und Militär mehr Einfluss, als der Westen glaubt. Diese Möglichkeit ist der Gipfel an Spekulation, denn dazu gibt es logischerweise keinerlei öffentlich zugängliche Informationen.

Vielleicht ist es aber ein Fehler, dass sich alle Welt allein auf die Person Putin fokussiert hat?!


An dieser Stelle möchte ich noch eine Bemerkung einfügen:Diese Gründe und Ziele könnten so ähnlich auch auf die USA zutreffen! (TA)

Krieg in der Ukraine - Teil 2/4


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