Krieg in der Ukraine - Teil 2/3
- titanja1504
- 29. Jan. 2023
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 16. Juni 2023
Deutschlands Image im Ukraine-Konflikt
(DE) Auffallend ist, dass Deutschland von Anfang an massiv unter Druck gesetzt wurde.
Es solle sich sofort von NordStream 2 zurückziehen, weil es so den Krieg Putins finanziere und für die Toten in der Ukraine verantwortlich sei.
Eigentlich sei Deutschland durch seine wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu Russland sowieso dran schuld, dass Putin nun die Ukraine überfallen könne.
So und so ähnlich tönte es aus eigenen Reihen und auch aus dem Ausland.
Deutschland wahre einzig und allein seine wirtschaftlichen Interessen und neige dazu, Werte hintan zu stellen.
Obwohl ich schon lange ein Problem damit hatte, dass Deutschland mit Diktaturen Geschäfte macht, hat mich diese „konzertierte Aktion“ der Schuldzuweisungen doch erstaunt und auch geärgert.
Als ob nur Deutschland so handeln würde! Und als ob beispielsweise Saudi Arabien, mit dem die USA und Deutschland intensive Beziehungen unterhalten, eine Demokratie wäre, wo man keine Werte verraten würde!
Viele Staaten ergreifen nicht oder nur halbherzig Partei gegen Russland.
Etliche Staaten besonders Afrikas und Südamerikas und auch Asiens schlossen sich Sanktionen gegen Russland nicht an.
China sagt sich nicht von Russland los, unterstützt es aber auch nicht aktiv. Xi Jinping kann warten.
Indien ist von Russlands Öl und Gas abhängig und steht daher zu Russland, fühlt sich aber offensichtlich nicht ganz wohl in seiner Rolle, denn es wird von westlichen Politikern derzeit massiv bedrängt.
Ich könnte mir vorstellen, dass hier Versprechungen und Angebote wirtschaftlicher Art auf den Verhandlungstisch gelegt wurden.
Man müsste vermutlich sehr gezielt und ausgesprochen professionell nach konkreten Informationen darüber suchen, denn in den öffentlich zugänglichen Medien findet man derzeit kaum etwas.
Israel und die Schweiz vermieden in den ersten Monaten tunlichst lautstark Partei zu ergreifen.
Für die Schweiz ist das das übliche Verhalten, womit sie immer gut gefahren ist. Allerdings konnte es sich nach einer Weile auch die Schweiz, bei der das Adjektiv neutral ja fast schon Bestandteil des Eigennamens ist, nicht mehr leisten, neutral zu bleiben.
Israel hat innen- und außenpolitische Gründe, es sich weder mit der Ukraine noch mit Russland zu verscherzen.
Juden aus Russland und der Ukraine sind nach Israel ausgewandert und haben noch familiäre Beziehungen zu ihren Ursprungsländern.
Alle Juden erinnern sich daran, dass sich die ukrainischen Faschisten im Zweiten Weltkrieg an der Judenverfolgung gemeinsam mit den deutschen Besatzern beteiligt haben.
Und Israel ist darauf angewiesen, dass Russland Israels Luftwaffe erlaubt über Syrien Ziele im Iran anzusteuern.
Viele gute Gründe also, die eine Parteinahme erschweren.
Die Welt versteht das Dilemma Israels! Die Welt versteht die sprichwörtliche Neutralität der Schweiz.
Deutschlands Zurückhaltung versteht die Welt jedoch nicht!
Im Sommer des Jahres 2022 steht Deutschland vor einer gigantischen Energiekrise, da es NordStream2 nicht nutzen will und darf, Russland NordStream1 sabotiert, die Energiepreise aufgrund der Marktstruktur ins Unermessliche steigen und die daraus folgende Inflation den Menschen schwer zu schaffen macht. Dem kommenden Winter blicken alle angstvoll entgegen. Als ein Politiker vorschlug, man müsse jetzt NordStream2 öffnen, um sich mit russischem Gas zu versorgen, Krieg hin oder her, war die moralische Entrüstung groß.
Ich frage mich nur, wieso Spanien seinen Import von russischem Gas im Juni und Juli um zwei Drittel steigern konnte, ohne dass die Ukraine-Solidaritäts-Allianz die Moralkeule herausholte.
Deutsch-russische Beziehungen - ein Fehler?
Mein Land, genauer gesagt die Vertreter der Politik und der Medien, ergreift lautstark, unermüdlich, finanziell und humanitär und zwischendrin auch sehr emotional Partei für die Ukraine.
Und dennoch hagelt es fortlaufend Kritik und Häme.
Stellenweise bekommt man das Gefühl, dass eigentlich Deutschland am russischen Einmarsch in der Ukraine schuld ist, weil es wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen mit Russland pflegte und auf Diplomatie insistierte, als allen voran die USA vom Kriegswillen Russlands schwadronierten.
Die lange Tradition guter Beziehungen, die von Willy Brandt (SPD-Kanzler) noch während des Kalten Krieges eingeleitet wurden, wird nun zum Fehler, ja zum Verbrechen, zur Mittäterschaft erklärt.
Wer klagt Deutschland an?
Natürlich Polen, das Deutschland gegenüber immer noch historisch begründete Vorbehalte hat und Vorhaltungen macht!
Natürlich ukrainische Politiker, allen voran der ukrainische Botschafter in Deutschland Andrij Melnyk!
Selbstverständlich amerikanische Patrioten!
Viele deutsche Politikerinnen und Politiker!
Die Mehrheit deutscher Journalistinnen und Journalisten!
Ex-Bundeskanzler Schröder (SPD) wird massiv ob seiner beruflichen und persönlichen Beziehung zu Russland und Präsident Putin angegriffen. Sein Personal kündigt, Ehrentitel sollen ihm aberkannt werden! Man will ihm die Bezüge als Altkanzler streichen. … Die Öffentlichkeit geifert!
Der Mediendruck auf Bundespräsident Frank Walter Steinmeier, sich seines Einsatzes für Diplomatie, Deeskalation und für Nordstream2 zu schämen, wurde so groß, dass er sich schließlich für seinen „Irrtum“ entschuldigte.
Haben denn alle Europäer vergessen, warum die Montanunion, der erste Schritt zur EU, zwischen den sogenannten Erbfeinden Frankreich und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet worden war?
Wirtschaftliche Beziehungen, zu Beginn auf Kohle und Stahl gerichtet, sollten zukünftige Kriege in Europa verhindern. Man konnte das Bündnis ausweiten, politisch vertiefen und wirtschaftlich noch enger verknüpfen.
Ein Krieg in Europa? Undenkbar!
Was also soll daran falsch sein, wenn dieser politische Ansatz auch die Beziehungen zu Russland beherrschen sollte?!
Man könnte vielmehr all diejenigen politisch Verantwortlichen fragen, wieso die Europa-Russland-Beziehungen so halbherzig, so bruchstückhaft und zögerlich gestaltet wurden.
Wieso statt Offenheit Misstrauen herrschte und zwar lange vor dem Ukraine-Krieg?
Ein Aspekt spielt dabei eine entscheidende Rolle. Die USA hatten nichts gegen die Verbindung Frankreich-Deutschland, wohl aber Bedenken hinsichtlich Deutschland-Russland bzw. Europa-Russland.
Wäre in der Nachkriegszeit Frankreich, unter dem Druck der USA, mit Deutschland auch so misstrauisch umgegangen, gäbe es heute keine EU.
Das ist meine These!
Ein weiteres Ereignis zeigt den Druck, der auf Deutschland ausgeübt wird, sich von seiner friedensorientierten, auf Diplomatie setzenden Politik abzuwenden.
Waffen scheinen mehr zu zählen als humanitäre Hilfe oder Friedensbemühungen.
Bundespräsident Frank Walter Steinmeier war, im Gegensatz zu allen möglichen anderen europäischen Staatsoberhäuptern, in der Ukraine aufgrund seiner vormaligen Einstellung zur Russlandpolitik Deutschlands erst einmal nicht willkommen. Als er mit den Staatschefs einiger osteuropäischer Länder nach Kiew reisen wollte, wurde der deutsche Bundespräsident als einziger ausgeladen
Der britische Premier Boris Johnson wurde jedoch in der Ukraine von Präsident Selenskij freudig empfangen.
Deutschland hat bis Ende April 2022 über 380.000 ukrainische Flüchtlinge aufgenommen und hält die Tore immer noch weit offen.
Das Vereinigte Königreich hingegen verlangt als einziges europäisches Land Visa für die Einreise der Ukrainer. Zum genannten Zeitpunkt lagen 117.000 Visaanträge vor. Diese Hürde schaffen aber nur sehr wenige. Im März waren es gerade mal 50. Im Mai wurde darüber berichtet, dass in Familien häufig fast alle Mitglieder ein Visum bekommen, bis auf beispielsweise ein minderjähriges Kind oder ein anderes Familienmitglied.
Den Effekt muss ich nicht groß erklären oder?! Ukrainische Familien reagieren wie die meisten Familien in so einer Situation: Entweder alle oder keiner! Ist das die Intention der Regierung des Vereinigten Königreichs?
Aber UK liefert Waffen und das scheint Präsident Selenskij wichtiger zu sein, als das Wohlergehen seiner geflüchteten Landsleute.
Daher ist Premier Boris Johnson ein Freund und Frank Walter Steinmeier eben nicht. Denn Deutschland wehrte sich lange und zäh gegen die Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine. Es wollte legitimerweise nicht eskalieren und in den Krieg hineingezogen werden.
Und weil es wohl aufgrund des Krieges und der Kriegspropaganda immer weniger Tabus gibt, ist es auch möglich, dass der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrej Melnyk, den deutschen Bundeskanzler öffentlich eine beleidigte Leberwurst nennen darf, weil Kanzler Olaf Scholz wegen dieses Affronts gegenüber dem gewählten Bundespräsidenten Deutschlands keinen persönlichen Besuch in der Ukraine erwägte.
Das hat schon Züge einer Hexenjagd.
Ich fühle mich herausgefordert im besten Sinne „quer zu denken“, was man am eindrücklichsten durch Fragestellungen tut. (TA)

Folgende Links führen zu weiteren Artikeln, die sich mit diesem Thema beschäftigen:
Krieg in der Ukraine - Teil 2/3
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