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Busgeschichten 4 – Der Duft von Kaffee

  • lisaluger
  • 20. Nov. 2022
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 26. Juni 2023

-Von Medellin nach Cali, Kolumbien, Januar 1988-

Ich saß im Bus von Medellin nach Cali und freute mich auf das Wiedersehen mit meinen Freunden dort. Weil ich einen Fensterplatz ergattert hatte, konnte ich mit Sicherheit während der Fahrt den spektakulären Blick auf die Berge und Täler sowie die Kaffeeanbaugebiete Kolumbiens ungestört genießen. 14 Stunden sollte die Fahrt dauern. Der Bus war voll besetzt, es war Mittag und sehr heiß. Um 2 Uhr morgens sollte ich in Cali ankommen und meine Freunde würden am Busbahnhof auf mich warten. Ich war voller Vorfreude.


Mit dem Bus durch Kolumbiens wunderschöne Landschaft
Mit dem Bus durch Kolumbiens wunderschöne Landschaft

Kurz nach unserer Abfahrt, bevor wir die Stadt hinter uns ließen, stieg noch ein junger Mann zu und setzte sich auf den letzten freien Platz hinter mir. Sein roter Kopf hätte von der Mittagshitze kommen können, wenn da nicht die Schnapsfahne gewesen wäre, die zu mir nach vorne waberte. Das waren nun allerdings weniger erhebende Aussichten für die nächsten 14 Stunden. Ich hoffte inständig, er würde in stundenlangen Tiefschlaf fallen und seinen Rausch ausschlafen.

Aber dem war nicht so.


Nach einer halben Stunde Fahrt durch eine herrliche, aber kurvenreiche Landschaft wurde ihm übel. Da er ja auch einen Fensterplatz hatte, wollte er sich aus dem Fenster übergeben. Leider bemerkte er zu spät, dass das Fenster geschlossen war. Er stieß mit dem Kopf gegen das Glas und sein Mageninhalt ergoss sich auf den Boden. Ich konnte gerade noch meinen Rucksack vom Boden hochreißen und auf meinem Schoß in Sicherheit bringen.


Binnen weniger Minuten breitete sich infernalischer Gestank nach Erbrochenem im ganzen Bus aus, weswegen nun mehrere Passiere auch anfingen sich zu übergeben. Der Schaffner eilte herbei und verteilte Plastiktüten, die aber nicht lange reichten.

Meine schwangere Sitznachbarin fing auch schon an zu würgen und ich musste etwas unternehmen. Zum Glück habe ich für solche Notfälle immer ein Fläschchen Chinaöl dabei. Ich tröpfelte etwas davon auf Papiertaschentücher und reichte sie an meine nächsten Nachbarn weiter. Ich hoffte, dass der Würgereiz mit dem Pfefferminzgeruch in der Nase in Schach gehalten werden konnte.


Als wir in einem kleinen Dorf anhielten, bat ich den Schaffner, doch mit einem Eimer Wasser das Schlimmste des Erbrochenen wegzuspülen. Er nickte zustimmend, ging in den kleinen Lebensmittelladen und kam mit einem Pfund Kaffee zurück. Und die Fahrt ging unverrichteter Dinge weiter. Kaffee?

Mit wütenden Blicken durchbohrte ich den egoistischen Schaffner! Konnte er nicht verstehen, in welch miserabler Situation wir Passagiere waren?! Und er dachte nur an seine nächste Tasse Kaffee nach der Fahrt. So ein Unmensch!


Während ich noch in Gedanken den Schaffner wüst beschimpfte, öffnete er die Kaffeepackung und verstreute den gesamten gemahlenen Kaffee im Gang des Busses. Sofort strömte uns der angenehme Kaffeegeruch in die Nase und verdrängte den Gestank des Erbrochenen. Wir waren gerettet und ich war beschämt!

So still wie ich den Schaffner in Gedanken beschimpft hatte, leistete ich auch bei ihm Abbitte. Er hatte die Erfahrung im Umgang mit solchen Missgeschicken auf seiner Seite und bevor ich mich besserwisserisch aufregte, sollte ich lernen abzuwarten und mehr Vertrauen in die Problemlösungen der Einheimischen zu entwickeln.


Der Missetäter war längst eingeschlafen und schlief seinen Rausch aus. Er hatte von all dem nichts mitbekommen. (LL)



Kaffee aus Kolumbien
Kaffee aus Kolumbien


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