Auf dem Weg zum Copper Canyon in Nordmexiko
- lisaluger
- 3. Aug. 2023
- 11 Min. Lesezeit
Mexiko, November 2016
Mein Mann Dave und ich sind erfahrene Reisende in fernen Ländern, besonders aber in den Ländern des südamerikanischen Kontinents. Im Herbst/Winter 2016 unternahmen wir eine zweimonatige Reise durch Mexiko und Guatemala. Wir hatten die Reise sorgfältig geplant und selbstverständlich auch einen Plan B und C… in Reserve, denn aus Erfahrung wussten wir, dass Flexibilität auf solchen selbst organisierten individuellen Reisen unbedingt erforderlich ist. Wir fühlten uns gut vorbereitet und auch gegen unerwartete Eventualitäten gewappnet. Und dennoch wurden wir überrascht.
Die Anreise hatte wunderbar geklappt und wir verbrachten ein paar erholsame Tage am Strand von Sayulita, in der Nähe von Puerto Vallarta, an der Pazifikküste. Langsam ließen wir das nasskalte Londoner Winterwetter hinter uns und gewöhnten uns an das warme Klima und die Lebensart Mexikos. Wir lebten uns ein und fühlten uns bereit für das Reisen im Land.
Wir hatten schon lange die Idee, mit dem alten El Chepe-Zug zur Barranca Cobre (auch Copper Canyon genannt) zu fahren, dem mexikanischen Gegenstück zum Gran Canyon (nur viel schöner, sagen die Mexikaner). Reiseberichte über diese Zugreise, die überall sehr empfohlen wurde, hatten unser Interesse geweckt. Das wollten wir auch erleben!

Unser Reiseführer bot zwei Alternativen an, wo und wann man in den Zug El Chepe einsteigen könnte: Um 6 Uhr morgens in Los Mochis oder zwei Stunden später in El Fuerte. Eigentlich ganz einfach!
Aber noch waren wir nicht in Los Mochis oder El Fuerte! Die Entfernung zwischen unserem momentanen Aufenthaltsort Puerto Vallarta und Los Mochis betrug 691 km (429 Meilen) mit dem Flugzeug und 866 km (538 Meilen) mit dem Bus. Für den Flug musste man 40 Minuten einplanen, für die Busfahrt 14 Stunden 47 Minuten und mit einem Auto hätte man, laut Internet, 9 Stunden und 37 Minuten gebraucht.
Spontan hätten wir uns für eine umweltfreundlichere und oft auch interessantere Busfahrt entschieden, wenn uns unsere mexikanischen Freunde nicht gewarnt hätten. Busfahren oder eine Autoreise seien in diesem Teil Mexikos, insbesondere in der Nacht, äußerst gefährlich. Kriminelle Banden würden häufig Busse und Autos überfallen und die Fahrgäste ausrauben. Das wollten wir doch nicht riskieren und entschieden uns daher für das Fliegen.
Aber auch das war nicht ganz einfach zu bewerkstelligen.
Es gab ein paar Direktflüge, die uns aber, weil als Privatflüge relativ kostspielig, zu teuer waren. Wir hatten ein knappes Budget und mussten damit zwei Monate auskommen. Keinesfalls wollten wir schon zu Beginn unserer Reise einen erheblichen Teil unseres Geldes ausgeben.
Und von da an wurde es richtig kompliziert.
Die einzige Alternative zu den Direktflügen war, über Mexiko City zu fliegen, eine Strecke von 1.885 km (812 Meilen), was einen Umweg von etwa 1.200 km (743 Meilen) bedeutete. Verrückt, aber nur so ging’s!
Landkarte von Mexico: Die Entfernung zwischen Puerto Vallarta and Los Mochis sind 691 k aber der Flug nach Los Mochis muss über Mexico City führen.
Die Flugdistanz von Puerto Vallarta nach Mexiko-City betrug nur 651 km (405 Meilen) und sollte 45 Minuten dauern. Der Anschlussflug in Mexiko City nach Los Mochis (Entfernung 1.234 km, 767 Meilen) würde dann 90 Minuten dauern, fanden wir heraus. Keine große Sache also - eigentlich.
Die Flugpläne zeigten jedoch, dass die Anschlussflüge nicht optimal aufeinander abgestimmt waren und jedermann weiß außerdem, dass der Flughafen von Mexiko-Stadt zusätzlich chronisch überlastet ist. Aus diesem Grund rechneten wir damit, dass der Flug statt gut zwei Stunden wohl eher sechs bis neun Stunden dauern würde. Und anschließend müssten wir ja noch mit einem Taxi eine oder zwei Stunden, je nachdem, ob wir in Los Mochis oder in El Fuerte den Zug nehmen wollten, fahren. Und auch eine Übernachtung musste noch gebucht werden.
Wir hatten also einen langen und langweiligen Reisetag vor uns, an dem wir unsere Weiterreise wunderbar planen und organisieren konnten. So dachten wir!
Als wir am Flughafen von Mexiko-City auf unseren Anschluss warteten, hatten wir reichlich Zeit sowie kostenloses WLAN. Also machten wir uns an die Arbeit.
Die Wahl der Unterkunft für die kommende Nacht hing davon ab, wo und wann wir den El Chepe-Zug nehmen wollten. Entweder übernachteten wir im Zielort unseres Fluges, in Los Mochis, und bestiegen um 6 Uhr morgens den El Chepe, oder wir fuhren noch am Abend (wegen der späten Ankunft in Los Mochis fuhr kein Bus mehr) mit dem Taxi weiter nach El Fuerte und bestiegen dort am nächsten Morgen um 08:19 Uhr den Zug. Zwei Stunden länger schlafen oder zwei Stunden länger für die Anfahrt in Kauf nehmen? Das war die Frage.
Trotz der Zusatzkosten für die Taxifahrt entschieden wir uns für einen längeren Schlaf, auch weil die Hotels in Los Mochis durchgehend eine schlechte Bewertung aufwiesen.
Die Buchung eines Zimmers in einem günstigen Hotel, El Guerrero, in El Fuerte klappte und wir erhielten sofort eine Buchungsbestätigung.
Wir waren sehr zufrieden mit unserer Reiseplanung.
Kurz darauf erfuhren wir, dass sich unser Anschlussflug ein wenig verspäten würde. Sofort verständigte ich das Hotel und teilte ihnen mit, dass wir uns verspäten aber kurz nach 21:30 Uhr mit dem Taxi eintreffen würden. Alles geregelt!
Schließlich konnten wir unsere Plätze im Flugzeug einnehmen und erwarteten definitiv keine weiteren Verzögerungen mehr. Aber weit gefehlt!
Kurz vor dem Start begann ein Mann drei Reihen vor uns, sich aufgeregt mit der Flugbegleiterin und mit dem Kapitän zu unterhalten. Dann stand er schnell auf und verließ ohne Gepäck das Flugzeug. Sein Sitznachbar lief ihm hinterher, um ihm wenigstens sein Handy zu geben, das er vergessen hatte.
Wir dachten, er hätte vielleicht eine Panikattacke gehabt, vielleicht hatte er Flugangst. Wir haben nicht weiter darüber nachgedacht, denn so etwas kommt vor. Kurz darauf betraten jedoch drei Sicherheitskräfte das Flugzeug und nahmen die Sitze auseinander, und zwar nicht nur in der Reihe, in der der Mann gesessen hatte, sondern auch in den beiden Reihen vor und hinter ihm. Sie stoppten erst eine Reihe vor uns ihre Suche nach einer möglichen Bombe. Wahnsinn! Wer hätte das gedacht?!
Glücklicherweise fanden sie keine. Aber jetzt musste auch noch das Gepäck im Frachtraum durchsucht werden, um seine Taschen herauszunehmen. Das ist eine übliche Sicherheitsmaßnahme, wenn jemand ein Flugzeug verlässt, bevor es abhebt, und Gepäck aufgegeben hatte.
Wir wurden nun doch ziemlich nervös, denn die Zeit verging und wir hatten nach unserer Ankunft in Los Mochis noch eine lange Reise vor uns.
Mit über anderthalb Stunden Verspätung machten wir uns schließlich auf den Weg. Wir rechneten aus, dass wir angesichts unserer geschätzten Flugankunftszeit um 21 Uhr und einer laut Reiseführer zweistündigen Taxifahrt nach El Fuerte frühestens um 23 Uhr im Hotel ankommen würden.
Vielleicht sollten wir das Hotel in El Fuerte stornieren und stattdessen in Los Mochis bleiben? Wir schauten uns im Internet ein paar alternative Hotels in Los Mochis an, beschlossen aber, erst bei der Ankunft am Flughafen zu entscheiden.
Glücklicherweise konnte das Flugzeug etwas Zeit aufholen. Am Taxischalter im Flughafen erfuhren wir, dass die Fahrt nach El Fuerte 45 Minuten kürzer und 50% billiger (1100 Pesos - 50 US-Dollar) wäre als im Internet angegeben. So weit, so gut. Wir beschlossen, mit dem Taxi nach El Fuerte zum Hotel zu fahren, das wir ohnehin schon gebucht hatten.
Unser Taxifahrer, César, war freundlich und recht gesprächig. So begannen wir uns zu entspannen. Aber nur kurz!
César hielt nämlich schon bald an einem dunklen Parkplatz und verschwand. Ringsherum war es stockdunkel und wir konnten absolut nichts sehen.
Was war hier los? Hatte er angehalten, um uns irgendwelchen Verbrecherbanden zu überlassen, die uns ausrauben wollten? Wir machten uns große Sorgen.
Aber bald kam er zurück, sprang ins Auto und fuhr weiter. Wir entspannten uns.
20 Minuten später, das Gleiche. Er hielt an, verschwand in der Dunkelheit, kam nach fünf Minuten zurück und fuhr weiter.
Nun, vielleicht hatte er Prostataprobleme oder eine schwache Blase oder Durchfall? Wer weiß das schon. Wen kümmert's. Er war fröhlich und gesprächig und wir vertrauten ihm letztendlich.
Während der ganzen Fahrt erzählte er uns, wie wunderbar Mexiko sei. Er verurteilte US-Präsident Trump scharf. 12 Jahre lang habe er in den USA in der Dachdeckerbranche gearbeitet. Alle seine Kollegen dort seien hart arbeitende Mexikaner (nicht so faul wie die Schwarzen - seine Worte). Cesar sagte, er wolle zurück in die USA gehen, um dort zu arbeiten und mehr Geld zu verdienen. Aber das sei nicht möglich, solange Trump Präsident sei. Dies stimmte mit dem überein, was wir später auf unserer Reise durch Mexiko oft hörten. Mexikanische Männer und Frauen hatten jahrelang in den USA gearbeitet, um Geld zu verdienen und ihr Leben und das ihrer Familie zu verbessern, sahen aber im Moment keine Möglichkeit, dies fortzusetzen.
Als wir uns El Fuerte näherten, rief ich erneut im Hotel an, um Bescheid zu geben, dass wir auf dem Weg seien und in Kürze ankommen würden. Diesmal teilte mir die Stimme am anderen Ende der Leitung jedoch mit, dass das Hotel voll belegt sei und es keinen Platz für uns gebe. Was?! Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte. Ich bestand auf unserer Buchung, die schließlich bestätigt worden war. Wir seien auf dem Weg und würden demnächst ankommen, teilte ich dem Rezeptionisten mit. Der Taxifahrer war verärgert über das Geschäftsgebaren des Hotels. Besorgt bot er uns an, dass er uns auf jeden Fall helfen würde, ein Bett für die Nacht zu bekommen. Guter Mann!
Als wir am Hotel ankamen, war tatsächlich alles dunkel und die Tore waren geschlossen. César und Dave rüttelten am Tor, bis jemand kam. César sprach in unserem Namen mit dem Hotelangestellten, der nach einer Weile die Managerin rief. Sie sagte, sie habe uns vor einer Weile eine E-Mail geschickt, dass das Hotel leider ausgebucht sei. Ich hatte keine E-Mail erhalten und war mir sicher, dass sie lügen würde. Möglicherweise war sie, als wir nicht zur vereinbarten Zeit ankamen, unruhig geworden, hatte Angst bekommen, Geld zu verlieren, und vermietete daher unser Zimmer schnell an jemand anderen, als sich die Möglichkeit bot. (Übrigens wurde mir ein paar Tage später von booking.com, über das wir das Hotelzimmer gebucht hatten, eine Gebühr für Nichterscheinen berechnet, was meinen Verdacht bestätigt.)
Unser netter Taxifahrer César argumentierte mit ihr, bis sie schließlich einwilligte, jemanden anzurufen, der noch ein Zimmer für uns haben könnte. César fuhr uns dorthin. Er wollte sich vergewissern, dass der Ort für uns in Ordnung war und dass es uns gut ging. Wir gaben ihm ein zusätzliches Trinkgeld von 100 Pesos (ca. £4.20 oder 4.80 Euro) für seine Bemühungen, was er gerne annahm.
Und so einem Mann hatten wir für einen Moment unterstellt, dass er uns einer Räuberbande ausliefern könnte!
Unsere Unterkunft für die Nacht befand sich in einem anderen Ortsteil und war in der Tat furchtbar. Das Zimmer befand sich über etwas, das eine Garage zu sein schien. Es war heiß und winzig, mit nur einem kleinen Bett, einem Kühlschrank, der nicht funktionierte, und einer kleinen Duschkabine. Die Wände bestanden aus roten Industrieziegeln und waren weder verputzt noch gestrichen. Die Übernachtung kostete 500 Pesos (21 £oder 24 Euros). Um diese Zeit hatten wir jedoch keine andere Wahl und nahmen das Zimmer schließlich widerstrebend an. Wir bedankten uns bei unserem stets hilfsbereiten Taxifahrer und wünschten ihm eine gute Fahrt zurück nach Los Mochis.
Der Besitzer des Gästehauses, ein junger Mann, bot uns an, uns für 100 Pesos am nächsten Tag um 7.30 Uhr zum Bahnhof außerhalb der Stadt zu bringen. Wir nahmen das Angebot gerne an. Wenigstens diese Frage war gelöst.
Aus dem Haus gegenüber hörten wir laute Musik von einigen Betrunkenen, die auf einem Lastwagen saßen und Bier tranken. Viele leere Dosen lagen um den Pickup herum. Sie mussten schon eine ganze Weile gefeiert haben. Es sah nicht so aus, als würden sie bald müde werden. Wir stellten uns also darauf ein, in dieser Nacht nicht allzu viel Schlaf abzubekommen. Aber was blieb uns übrig?! Optimistisch bleiben und das Beste draus machen!
Ich fragte unseren Gastgeber, wo wir Trinkwasser für den Abend und Zutaten für ein Frühstück am nächsten Morgen bekommen könnten. Er bot uns an, uns noch zum örtlichen Supermarkt zu fahren. Außerdem schlug er vor, morgens auf dem Weg zum Bahnhof einen Zwischenstopp am Supermarkt einzulegen. Auf diese Weise könnten wir uns mit Kaffee und Essen für die Reise versorgen. Das war nett von ihm und eine gute Idee und wir waren mit der ungemütlichen Unterkunft etwas versöhnt.
Auf dem Rückweg vom Supermarkt erhielt er einen Anruf und teilte uns mit, dass unsere Bettwäsche noch gewechselt würde. Er bot uns daher an, uns durch die Stadt zu fahren und uns Sehenswürdigkeiten wie das Rathaus, den Hauptplatz, die Kathedrale und das Fort El Fuerte, wo die Einheimischen die Spanier abgewehrt hatten, sowie die alten Kolonialhäuser zu zeigen.
El Fuerte ist eine schöne kleine Stadt und wir genossen die Fahrt und die Geschichtsstunde. Aber im Hinterkopf lauerte wieder das Misstrauen. Wir hatten ja unser Gepäck, einschließlich unserer Wertsachen und unseres Geldes, im Hotel gelassen, und ich machte mir Sorgen, ob unsere Sachen bei unserer Rückkehr noch da sein würden.
War diese freundliche Stadtrundfahrt womöglich nur ein Ablenkungsmanöver, um den Dieben im Hotel Zeit zu verschaffen, unsere Habseligkeiten beiseite zu räumen und zu verschwinden? Ich konnte diesen Gedanken nicht ganz verdrängen.
Aber als wir zurück kamen, waren alle unsere Sachen noch da, wie wir sie zurückgelassen hatten. Wie schrecklich misstrauisch von uns! Wir befürchteten das Schlimmste und dieser nette junge Mann gab sich so viel Mühe, uns einen Gefallen zu tun und dafür zu sorgen, dass wir uns in seinem Gästehaus wie zu Hause fühlten.
Wir gingen schnell ins Bett, krochen unter das frische Laken und versuchten zu schlafen, ohne an Insekten oder andere Tiere zu denken, die an der Ziegelwand entlang krabbeln und uns beißen könnten. Der Lärm der betrunkenen Leute ließ bald nach und schließlich fielen wir in einen tiefen Schlaf, bis wir sehr früh am Morgen von laut krähenden Hähnen, Kirchenglocken und lauten Motoren geweckt wurden. Aber das war in Ordnung, denn wir mussten ohnehin um 6.45 Uhr aufstehen, da wir um 7.30 Uhr zum Bahnhof aufbrechen wollten.
Am Morgen schien die Sonne. Der Himmel war blau und alles sah freundlicher aus als in der Nacht. Das Haus schien erst vor kurzem gebaut worden zu sein und war noch nicht ganz fertig, daher der fehlende Putz an der Wand unseres Zimmers. Wir warfen einen Blick auf die Gäste in den Nachbarzimmern, die sich auf den Tag vorbereiteten. Sie begrüßten uns freundlich und neugierig, weil sie in dieser Gegend nicht oft Touristen aus fernen Ländern zu Gesicht bekamen.
Unser Gastgeber wartete bereits auf uns, um uns zum Zug zu bringen. Seine Mutter gab uns noch drei große Grapefruits aus ihrem Garten für die Reise mit. Einfach so! Eine Art Abschiedsgeschenk aus reiner Gastfreundschaft.
Der junge Mann war jetzt noch gesprächiger als am Abend. Er sei Automechaniker und versuche, mit allen möglichen Arbeiten seinen Lebensunterhalt zu verdienen, erzählte er uns. Auch das neue Gästehaus sei sozusagen als weiteres Standbein gedacht.
Auf der Fahrt wies er uns auf ein Rehabilitationszentrum für Alkohol- und Drogenabhängige hin, in dem er als Ehrenamtlicher arbeite. Das weckte natürlich mein Interesse, denn ich war viele Jahre lang in London im Suchtbereich tätig gewesen.
Er erzählte uns von dem enormen Ausmaß des Suchtproblems in seiner Heimatstadt El Fuerte und in der gesamten Region Sinaloa. Eine sehr beliebte Droge in dieser Gegend sei Crystal, das die Gesundheit schädigt. Die Menschen, die Crystal konsumieren, verlieren schnell an Gewicht und der Körper verfällt rapide.
Er berichtete auch von der hohen Arbeitslosen- und Armutsquote in El Fuerte und dass viele Menschen das Gefühl hätten, keine Perspektive und keine Zukunft zu haben. Daher gebe es keinen Anreiz, von den Drogen loszukommen. Ich bewunderte diesen jungen Mann, der trotz der desolaten Lage in seiner Region optimistisch war und auf ein besseres Leben für seine Familie und Freunde hinarbeitete, egal wie hart und frustrierend es war.
Wir kamen am Bahnhof an und wünschten unserem Gastgeber von ganzem Herzen alles Gute für seine Unternehmungen und seine Zukunft und schämten uns insgeheim unseres Misstrauens.
Wieder einmal mussten wir uns eingestehen, dass auch in unseren Köpfen Vorurteile tief verankert waren. Und wieder einmal hatten uns die Menschen eines Besseren belehrt.
Alle, denen wir auf dieser Reise in Sinaloa begegnet waren, abgesehen von der schnöden Hotelbesitzerin, waren hilfsbereit und freundlich gewesen. Nur wir hatten das Schlimmste von ihnen gedacht. Aber wir hatten unsere Lektion zu Beginn unserer Reise gelernt und konnten nun ohne Vorbehalte durch Mexiko und Guatemala reisen.
Hinsichtlich unserer Zugfahrt mit El Chepe hatten wir einen guten Tipp von unserem jungen Gastgeber bekommen, der die Empfehlungen des Internet Lügen strafte. Dort hieß es nämlich, dass man die Plätze im Zug lange im Voraus buchen müsse, da der Zug meist ausgebucht sei. Was nicht erwähnt wurde, war, dass dies nur für die erste Klasse galt.
Wir wollten jedoch nicht zwischen Touristen, sondern zwischen Einheimischen sitzen. Wie uns unser freundlicher Gastgeber erklärt hatte, steigen die Fahrgäste der zweiten Klasse normalerweise in den Zug ein und bekommen ihre Plätze vom Schaffner zugewiesen. Er komme dann später vorbei, erklärte uns der junge Mann, und verkaufe die Fahrkarten, sobald der Zug in Bewegung sei.

Pünktlich und mit lautem Pfeifen kam der Zug, El Chepe, mit vielen Waggons an, fünf der ersten Klasse und noch mehr der zweiten Klasse. Es war noch viel Platz. Was sollte also die ganze Aufregung im Internet?! Möglicherweise wollte man die unerfahrenen Touristen dazu bringen, die viel teureren Tickets für die erste Klasse online zu kaufen. Oder waren wir vielleicht schon wieder zu misstrauisch?!
Wie auch immer, jetzt brauchten wir uns keine Sorgen mehr zu machen. Wir konnten uns entspannen, unser Frühstück essen, uns unsere großen saftigen Grapefruits schmecken lassen und die Fahrt durch die herrliche Landschaft mit dem alten und berühmten El Chepe-Zug zum Copper Canyon genießen.
(LL)

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