Das Versagen der Elite (4): Mauschelei, Vetternwirtschaft und Misswirtschaft in der Covid- Krise
- lisaluger
- 20. Nov. 2022
- 21 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 9. Juni 2023

(LL) (UK)
Was unterscheidet in einer Krise Kriegsgewinnler von Politikern?
Kriegsgewinnler nutzen die Notlage, um überhöhte Gewinne für sich persönlich zu erzielen, während Politiker die Notlage auflösen, sprich die Krise bewältigen wollen sollen. Naturgemäß sind Geschäftsleute und deren Unternehmen eher Kriegsgewinnler, da sie ja die Chance auf Gewinne sofort und instinktiv erkennen, aber sie lösen natürlich nebenbei auch einige der Probleme des Landes. Politiker hingegen sollten nicht gewinnorientiert sein außer im Sinne von Wohlstand und Sicherheit für das Land bzw. das Volk, das sie regieren. Ihr Sinn und Zweck ist, und das wird von ihnen erwartet, zu gestalten und Probleme zu lösen bzw. Krisen zu bewältigen ohne Ansehen eines persönlichen Nutzens. Gemeinwohl first – statt Eigenwohl first! Im Vereinigten Königreich sind diese Abgrenzungen im Hinblick auf die Regierungselite derzeit nicht zu erkennen, was besonders in der Pandemie und der daraus folgenden Krise deutlich wurde.
Chumocracy, sprich Kumpelherrschaft
Die Covid-Pandemie hat das Ausmaß an Mauschelei, Vetternwirtschaft und Misswirtschaft im öffentlichen Leben Großbritanniens offengelegt. Es wurde deutlich, dass für die amtierende Regierungselite beim Auftauchen eines Problems die erste Frage nicht lautet: „Wie können wir das Problem lösen und welche Unterstützung brauchen wir, um dieses Problem zu lösen?“ Nein, die erste Frage heißt: „Welche Chancen stecken in dieser Situation für mich und meine Freunde, Geld, Macht, Prestige und Status zu erringen? Wer will und braucht welchen Job, wer will und braucht welchen lukrativen Regierungsauftrag?“
Eine enge Gruppe von Freunden beruft Freunde und vergibt Aufträge an Freunde. Einflussreiche Vertreter dieser Clique, die im Verlauf der Pandemie die Fäden zogen, waren neben dem Premierminister Boris Johnson, sein Sonderberater Dominic Cummings, Michael Gove, Kabinettoffice Minister, und Matt Hancock, der damalige Gesundheitsminister, sowie ihre Freunde von Vote Leave, die Boris Johnson und seine Kollegen bei der Kampagne zum Brexit und im Wahlkampf entscheidend unterstützt hatten.
Mehr als jeder andere Staat hat vor allem England, nicht das ganze Vereinigte Königreich, große Teile seiner Pandemiebekämpfung ausgelagert, oft an Unternehmer und Unternehmen mit engen Verbindungen zu konservativen Politikern oder deren Freunden, wobei die Expertise sekundär zu sein schien.
Beispiele für Postengeschacher
Ein Ehrenamt zu übernehmen verleiht gesellschaftliches Ansehen und ist gut für das Netzwerken, noch dazu wenn dieses Ehrenamt auf Regierungsebene angesiedelt ist.
Catherine Elizabeth (Kate) Bingham hat ihren Abschluss in Biochemie in Oxford gemacht und einen MBA der Harvard Business School. 1991 wurde Kate geschäftsführende Gesellschafterin bei SV Health Investments, einer Risikokapitalgesellschaft, und ist Vorstandsmitglied in zahlreichen internationalen Unternehmen des Gesundheitssektors. Im Mai 2020 wurde sie zur Vorsitzenden der UK Vaccine Taskforce ernannt, die direkt dem Premierminister unterstand. In dieser ehrenamtlichen Position sollte sie die Beschaffung des Covid-19 Impfstoffes und eine Strategie zur Verteilung des Impfstoffes managen. Die Ernennung fand ohne Ausschreibung oder eine auch nur ansatzweise öffentliche Personaldiskussion statt.
Daher wurde in den Medien die Frage aufgeworfen, was denn Kate Bingham befähige, diese Aufgabe zu bewältigen, außer dass sie mit der Schwester des Premierministers, Rachel, auf eine Privatschule gegangen war und mit dem Tory-Abgeordneten Jesse Norman, der wiederum ein Kommilitone von Boris Johnson in Eton war, verheiratet ist.
Der Erfolg der Impfkampagnen brachte ihre Kritiker zunächst zum Schweigen. Und es gab sogar Argumente für ihre Ernennung. Ihre Politiker-Freunde führten ihre guten Verbindungen zu Pharmaunternehmen als Qualitätsmerkmal an, was aufgrund ihrer beruflichen Karriere durchaus nachvollziehbar ist. Sie wurde jedoch heftig dafür kritisiert, dass sie darauf bestand, ihren eigenen PR-Beraterstab, acht Vollzeitberater der Londoner PR-Agentur Admiral Associates, mitzubringen, anstatt sich auf die Pressesprecher des öffentlichen Dienstes zu verlassen.
Selbstverständlich waren die Dienstleistungen dieser Berater nicht ehrenamtlich, sondern kosteten den Steuerzahler £ 670.000 bis zum Ende des Jahres 2020.
Im November 2020 sah sich Kate Bingham mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Sie wurde beschuldigt, auf einer internationalen Konferenz wirtschaftlich sensible Informationen über die Impfstrategie der britischen Regierung an Investoren weitergegeben zu haben. Doch Downing Street stand hinter ihr und betonte, sie hätte nur öffentlich zugängliche Informationen herausgegeben. Trotzdem wurde kurze Zeit später angekündigt, dass Kate Bingham Ende des Jahres von ihrem Posten zurücktreten werde. Um den Eindruck von Fehlverhalten und Sanktionierung zu zerstreuen, wies man von Seiten der Regierung darauf hin, dass diese Position ohnehin nur befristet gewesen sei.
Kate Binghams Management des Impfprogrammes wurde durchgehend von Wissenschaftlern und Medien gelobt. Unter ihrer Leitung wurden 350 Millionen Dosen (Stand Dezember 2020) sechs verschiedener Impfstoffe sichergestellt sowie eine Infrastruktur für Herstellung, Vertrieb und klinische Versuche aufgebaut. Kate Bingham hatte offensichtlich nicht nur ein gutes Netzwerk und teuere PR-Berater, sondern auch Kompetenz aufzuweisen.
Mit Diana Mary „Dido“ Harding hatte das Vereinigte Königreich nicht so viel Glück. Sie wurde, ebenso wie Kate Bingham, auf dem „kurzen Amtsweg“ die Leiterin des NHS-Test- und Rückverfolgungsprogramms der britischen Regierung.
Dido Harding ist mit dem Tory-Abgeordneten John Penrose verheiratet und ebenfalls gut vernetzt. Sie wurde 2014 von ihrem guten Freund, dem damaligen Premierminister David Cameron, in den Adelsstand erhoben und sitzt für die Tories im House of Lords. In ihrer Funktion als Direktorin des Cheltenham Jockey Clubs verlieh sie ihrem guten Freund Matt Hancock, Pferderennsport-Enthusiast und bis Mai 2021 Gesundheitsminister, die Ehrenmitgliedschaft.
Dido Harding, die ehemalige Chefin des Telekommunikationsunternehmens TalkTalk, wurde im Oktober 2017 zur Vorsitzenden von NHS Improvement (NHSI) ernannt, dem Gremium, das für die Überwachung und Unterstützung von NHS-Anbietern und Trusts in England zuständig ist, dessen Rolle der Öffentlichkeit jedoch weitgehend unklar bleibt. Ein öffentliches Bewerbungsverfahren fand nicht statt.
Dido Hardings Job als Vorsitzende war ein Teilzeitjob im Umfang von zwei Tagen pro Woche, der zwischen £60 – £65.000 pro Jahr dotiert war. Einige Vorstandsmitglieder von NHSI verzichteten auf ihr Gehalt, um dem Gesundheitsdienst Geld zu sparen. Nicht so Baronesse Dido Harding.
Womöglich um die Kritik an der Stellenvergabe und die Frage nach ihrer Befähigung und Eignung verstummen zu lassen, bot ihr die Regierung zwei ehrenamtliche Positionen an, die sie auch annahm: Im Mai 2020 wurde sie zur Leiterin des NHS Test and Trace Service ernannt und Matt Hancock betraute sie mit der Leitung eines neuen Nationalen Instituts für Gesundheitsschutz (NIHP). Beide Funktionen sind ehrenamtlich.
Wodurch sich Dido Harding in einer Krisensituation das Vertrauen der Regierung verdient hatte, ist der Öffentlichkeit jedoch nicht bekannt. Hinsichtlich des Test- und Rückverfolgungsprogramms, das sie von Mai 2020 bis April 2021 managte, war ihr wenig Erfolg beschieden. Man warf ihr vor, dieses Programm habe keinen signifikanten Einfluss auf die Eindämmung der Covid-Pandemie gehabt und das trotz eines Budgets von £ 37 Mrd. (€ 44 Mrd.).
Fairerweise muss man sagen, dass Dido Harding wenig Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum hatte, als sie das Amt antrat. Es war bereits festgelegt worden, dass man statt auf NHS und universitäre Forschung lieber auf Privatunternehmen setzen wolle. Auch logistische Entscheidungen, Methodik und Zielsetzung waren bereits gesetzt worden.
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. War sie nur eine Galionsfigur, die im Zweifelsfall zum Sündenbock gemacht werden konnte? Haben die politischen Entscheider im Hintergrund keine Verantwortung für Planung und Durchführung übernehmen wollen?
Die Zeitung „The Guardian“ hat die Verbindungen zwischen den verschiedenen Akteuren des Covid-Krisen-Managements gründlich recherchiert und die „Freunderlwirtschaft“ bzw. Chumocracy des Tory-Establishments herausgearbeitet. Weitere Einzelheiten und eine Grafik, die die Verflechtungen zwischen Freunden und Unternehmen zeigt, finden Sie unter folgendem Link.
Quelle: https://www.theguardian.com/world/2020/nov/15/chumocracy-covid-revealed-shape-tory-establishment
Intransparente Auftragsvergabe durch Tory-Politiker
Als die Corona-Pandemie ausgebrochen war, führte die steigende Nachfrage nach persönlicher medizinischer Schutzausrüstung (PPE – personal protective equipment) schnell zu Engpässen. Besonders dringlich war die Versorgung der Mitarbeiter des britischen Gesundheitsdienstes NHS.
Um den Bedarf an PPE für die Beschäftigten des nationalen Gesundheitsdienstes schnell zu decken, verlegte sich die britische Regierung darauf, Aufträge für PPE-Lieferungen im Rahmen eines Dringlichkeitsverfahrens zu vergeben. Das bedeutete, dass die Aufträge ohne Ausschreibungsverfahren, also ohne öffentlichen Wettbewerb, direkt an Unternehmen vergeben wurden. So eine „Direktvergabe“ ist rechtlich zulässig, wenn es nur einen einzigen Anbieter gibt oder in Fällen äußerster Dringlichkeit aufgrund unvorhergesehener Ereignisse oder Lebensgefahr usw. Aber auch bei einer Direktvergabe ist die Regierung gesetzlich verpflichtet, innerhalb von 30 Tagen nach der Vertragsunterzeichnung eine Bekanntmachung über die Auftragsvergabe für alle Verträge über £ 120.000 zu veröffentlichen, um das Vergabeverfahren und somit auch die Vergabekriterien transparent zu machen.
Einem Bericht des National Audit Office (NAO) zufolge wurden zwischen März und Juli 2020 Aufträge im Wert von £17,3 Mrd. vergeben, davon £10,5 Mrd. ohne Wettbewerb. £6,7 Mrd. gingen an bereits zugelassene Lieferanten, die allerdings nicht unbedingt für die Produkte zugelassen waren, die sie im Zuge der Dringlichkeit durch die Pandemie anboten und dem Staat verkauften. Lediglich £0,2 Mrd. wurden im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens vergeben.
Das „Good Law Project“ prangerte an, dass Einzelheiten der Auftragsvergabe mit großer Verspätung veröffentlicht und die Gründe für die Entscheidungen nur unzureichend dargelegt wurden.
Quelle: https://www.bbc.co.uk/news/56174954 . Was ist mit den Covid-Verträgen der Regierung los? 30. Juni 2021, BBC
Nach Angaben des Ministeriums für Gesundheit und Soziales (Department of Health and Social Care, DHSC) hatte die Regierung an 50 Firmen VIP-Schnellverträge für die Lieferung von Covid-Schutzausrüstungen wie Masken, Handschuhe, Kittel und andere Sicherheitsausrüstungen erteilt. Achtzehn dieser Unternehmen wurden von konservativen Politikern benannt, darunter der ehemalige Gesundheitsminister Matt Hancock, Verkehrsminister Grant Shapps, Staatsminister Michael Gove, der Herzog von Lancaster sowie Boris Johnsons enger Berater Dominic Cummings. Weitere Informationen finden Sie unter:
Quelle: https://www.bbc.co.uk/news/uk-politics-59334952 , Covid: 50 Firmen erhalten VIP-Ausrüstungsverträge im Schnellverfahren. 18. November 2021.
Konkrete Beispiele für „unter der Hand“ Auftragsvergabe
Als Medien und Oppositionspolitiker auf diese Praxis der „Unter-der-Hand-Auftragsvergabe“ hinwiesen und Aufklärung verlangten, rechtfertigte die Regierung ihre Handlungsweise mit einer Art „Gefahr in Verzug“. Die Notlage habe schnelles Agieren erfordert, um Menschenleben zu retten. Außerdem habe man mit Regierungen der ganzen Welt in Konkurrenz um die medizinischen Produkte gestanden. Diese Situation habe erfordert, schnell und unbürokratisch vertrauenswürdige, bewährte Partner aus der Wirtschaft zu beauftragen.
Diese Argumentation mag ja noch auf „Randox Laboratories Ltd“ zutreffen.
Randox Laboratories Limited, ein internationales Test- und Gesundheitsunternehmen mit Sitz in Nordirland, hat bereits vor der Covid-Pandemie millionenschwere Verträge mit der britischen Regierung abgeschlossen und ist ein wichtiger Akteur im Covid-Testprogramm. Die Firma gibt außerdem regelmäßig Spenden an die Conservative Party und ist gut mit relevanten Politikvertretern vernetzt.
Randox nahm am 17. März 2020 an einem Treffen mit der Regierung teil, bei dem die Einführung des neuen Covid-Testsystems diskutiert wurde. Bei diesem Treffen beschloss die Regierung, große zentralisierte Labors außerhalb der bestehenden Gesundheits- und Forschungsstrukturen zu entwickeln und die bestehenden Labors und Ressourcen an den Universitäten zu umgehen.
Randox erhielt zwei große Aufträge für die Lieferung von Testkits für das Test und Trace Projekt: Der erste Auftrag über 133 Mio. £ wurde am 18. Mai 2020 vergeben, der zweite über 346,5 Mio. £ folgte später. Randox erhielt den Zuschlag im Rahmen der Covid-19-Notfallregelung unter Umgehung der für öffentliche Aufträge erforderlichen Ausschreibungen.
Dies ist jedoch nicht der einzige Kritikpunkt.
Obwohl man bei diesem Unternehmen eigentlich Fachkompetenz erwarten durfte, gab es qualitative Probleme. Im August 2020 musste Randox 750.000 Testkits zurückrufen, die an Pflegeheime geliefert worden waren, weil sie nicht den erforderlichen Standards entsprachen. Die Tatsache, dass dadurch zu wenig funktionierende Testkits zur Verfügung standen, erschwerte das regelmäßige Testen des Pflegepersonals wie auch der Bewohner von Pflegeheimen.
Erinnern wir uns doch noch einmal ausdrücklich daran, dass das Kriterium für die Notfallvergabe von Aufträgen das Vertrauen in bewährte Geschäftspartner war.
Tatsächlich hatte aber Randox bereits zu Beginn des ersten Vertrags Schwierigkeiten, Testkits zu bekommen. Dieses potentielle Beschaffungsproblem war in den Vertrag aufgenommen worden und die Regierung hatte sich bereit erklärt, Randox bei der Beschaffung von Testkits zu unterstützen. Matt Hancock setzte sich mit den ursprünglich verschmähten Universitätslabors in Verbindung, um die benötigten Testkits auszuleihen. Was soll man dazu sagen? Ein Unternehmen erhält einen Regierungsauftrag, den es vielleicht gar nicht erfüllen kann, weswegen die Regierung die Aufgabe z. T. selbst übernimmt?! Das ist gelinde gesagt merkwürdig.
Außerdem bezahlte die Regierung fast £ 1.5 Mio für die Bereitstellung einer Luftbrücke zwischen den Flughäfen Stansted und Belfast für den Transport der Covid-Testkits von Englands Pflegeheimen zu den Randox-Labors in Nordirland, damit die Tests in den Randox-Labors in Antrim bearbeitet werden konnten. Wenn das Schule macht, dass der Staat mit seinen Steuergeldern die Logistik von Unternehmen übernimmt, die Regierungsaufträge übernommen haben, dann werden solche Verträge richtig attraktiv. Wohl dem Unternehmen, das gute Beziehungen zu den Tories hat.
Verbindung zwischen Pferderennen und Tories
Doch inwiefern war der kürzlich in Ungnade gefallene konservative Abgeordnete Owen Paterson involviert? Hier kommt die Verbindung zwischen Pferderennen und Tories ins Spiel. „Randox Health“ ist seit 2016 Sponsor des Grand National Pferdehürdenrennens im Aintree Jockey Club in Liverpool, dessen jahrelange Vorsitzende Rose Paterson war, Owen‘ Paterson’s kürzlich verstorbene Ehefrau und enge Freundin von Dido Harding. Owen Paterson selbst war seit 2015 als Berater für Randox Laboratories Ltd tätig. Seit April 2017 wurde er für seinen 16-Stunden-Job mit £ 8.333 pro Monat entlohnt. Obwohl Paterson und Randox jegliche Beteiligung Patersons an der Vergabe des Regierungsauftrags an Randox bestritten, ist bekannt, dass Paterson an Sitzungen teilgenommen und Gespräche mit dem einflussreichen Mitglied des Gesundheitsministeriums Lord Bethell geführt hatte. Der parlamentarische Überwachungsausschuss, der Patersons Verhalten untersuchte, schlussfolgerte, dass es sich um einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Standards des Parlaments für Lobbyarbeit handelt. (Mehr Information über die Bemühungen der Regierung, einen der ihren zu schützen, finden Sie in einem separaten Beitrag).
Quelle: https://www.bbc.co.uk/news/59219803, Covid: What do we know about Randox and its contracts? Quelle: Geoghegan, Peter. Vetternwirtschaft und Klientelismus, LRB. 5. November 2020.
Eine weitere Firma, “Medacs“, kontrolliert von einem Spender der Tory Partei und ehemaligem Parteivorsitzenden, Lord Ashcroft, erhielt im Dezember 2020 vom Gesundheitsministerium einen lukrativen Vertrag über £ 350 Mio für die Durchführung der Covid Impfkampagne. Ein weiterer Beweis, dass Firmen, die mit der Regierung des Vereinigten Königreichs oder der konservativen Partei verbunden sind, von der Pandemie profitiert haben.
Die genannten Unternehmen gehören eindeutig zum Netzwerk der regierenden Elite, aber wenigstens haben sie Expertise im Gesundheitsbereich.
Auf „Ayanda Capital“ trifft Letzteres jedoch nicht zu. Diese Firma hat Beziehungen, aber keine Expertise, wie sich bald herausstellen sollte.
Diese Investmentfirma, die auf Devisentraining, Offshore-Immobilien, privates Beteiligungskapital und Handelsfinanzierung spezialisiert ist, erhielt im April 2020 einen Auftrag im Wert von £ 252 Millionen für die Lieferung von Gesichtsmasken, von denen 50 Millionen nie verwendet wurden, weil Bedenken bestanden, dass sie das Gesicht nicht ausreichend abdecken würden. Dieser Vertrag wurde von einem Berater der Handelskammer (Board of Trade) im Ministerium für Internationalen Handel (Department for International Trade, DIT) unter dem Vorsitz der damaligen Staatsministerin für internationalen Handel, Liz Truss, vermittelt, die auch Senior Beraterin des Vorstandes bei „Ayanda Capital“ ist. Als Regierungsmitglied und Angehörige der Tories vermittelte sie einen lukrativen Auftrag an ein Unternehmen in dessen Verwaltungsrat sie tätig ist, der jedoch keinerlei Fachkompetenz in Sachen Gesundheitsprodukte aufweisen konnte.
In diesem Fall greifen die Argumente der Regierung zur Rechtfertigung der möglichst schnellen Direktvergabe von Aufträgen keineswegs.
Quelle: Geoghegan, Peter. Vetternwirtschaft und Klientelismus, LRB. 5. November 2020.
An dieser Stelle seien noch einige weitere Beispiele genannt, die eine Auftragsvergabe nach dem Gießkannenprinzip vermuten lassen, wobei der Grund für den jeweiligen Zuschlag wohl eher bei der Verbindung zu Politikern zu suchen ist, als bei der Expertise.
Ein Unternehmen, „Meller Design“, im Besitz eines konservativen Spenders, das Supermarktketten mit Kosmetika beliefert, hat einen £ 65-Millionen- Auftrag zur Lieferung von Gesichtsmasken erhalten.
Das kleine, verlustbringende Unternehmen „P14 Medical“, das früher medizinische Geräte verkaufte und von einem konservativen Stadtrat in Stroud geleitet wurde, erhielt einen £ 270-Millionen-Auftrag zur Lieferung von persönlicher Schutzausrüstung für das NHS-Personal.
Im November 2020 wurde bekannt, dass ein spanischer Geschäftsmann, „Gabriel Gonzales Andersson“, £ 21 Millionen für seine Dienste als Vermittler bei der Beschaffung von Schutzkleidung erhielt. Zusätzlich wurde eine weitere Vermittlerprovision vereinbart. Gonzales arbeitete mit dem in Florida ansässigen Schmuckdesigner Michael Saiger zusammen, der zu Beginn der Pandemie ein Unternehmen gründete, das PPE an verschiedene Regierungen lieferte.
Wie kann die Regierung in diesem Fall von jahrelanger erfolgreicher und vertrauensvoller Zusammenarbeit sprechen, wenn das Unternehmen erst zu Beginn der Pandemie gegründet worden war? Eine ähnliche Frage drängt sich auch im Hinblick auf die Dienstleistung von Zoe Ley auf.
Die Inhaberin des Bio-Hundefutterherstellers „The Rockstar“, Zoe Ley aus London, erhielt mindestens £ 1 Million, um der britischen Regierung zu helfen, einen Vertrag mit einem Unternehmen in Hongkong über die Lieferung von PPE im Wert von £ 258 Millionen abzuschließen. Worin könnte die besondere Expertise dieser Unternehmerin bestehen? Vielleicht bezieht sie Zutaten für das Hundefutter aus Hongkong?
Nein, nein, professioneller geht es dann doch schon zu.
Zoe Ley, gelernte Investmentbankerin, gründete im Mai 2020 das Unternehmen „Life Partners“, um „Produkte im Zusammenhang mit Covid zu liefern“. Sie betätigte sich als Vermittlerin zwischen dem Hongkonger Unternehmen „Worldlink Resources“ und der britischen Regierung. Die BBC-Sendung Panorama fand in einer Art Untercover-Aktion heraus, dass lt. Aussage des Hongkonger Unternehmens Zoe Leys Unternehmen eine Brücke zur britischen Regierung darstelle. An ihr vorbei geht also nichts! Wie sie sich für diese Position qualifiziert hat, bleibt allerdings ein Geheimnis der Regierung.
Die Liste der Firmen, die von der Regierung einen Covid-relevanten Vertrag erhalten haben, ist endlos. Die Regierung muss gezwungen werden, zu erklären, was diese Unternehmen dafür qualifiziert, die britische Regierung in einer tiefen Krise wie einer Pandemie zu unterstützen und warum sie bei der Bekämpfung der Pandemie so stark und für Außenstehende relativ willkürlich auf externe Geschäftsleute zugriff.
Misswirtschaft – Folgen der intransparenten Vergabepraxis
Denn es gibt gute Gründe, warum staatliche Organe verpflichtet sind, ein öffentliches Ausschreibungsverfahren für Aufträge von öffentlichem Interesse, die mit Steuergeldern finanziert werden, durchzuführen. Einer der Gründe ist, Korruption zu verhindern. Ein weiterer hat die Wirtschaftlichkeit im Auge. Wieder ein anderer ist die Sicherung von Qualität und Fachkompetenz. Alle diese Gründe sollen Misswirtschaft vermeiden.
Eine Reihe von Beispielen zeigt, dass genau das nicht vermieden wurde. Millionen Steuergelder wurden verbrannt, weil die Expertise der Auftragsempfänger nicht annähernd ausreichte oder sogar nicht für nötig erachtet worden war.
50 Millionen FFP2-Gesichtsmasken für die Mitarbeiter des Gesundheitswesens, die im April 2020 von „Ayanda Capital“ bezogen worden waren, konnten aufgrund von Sicherheitsbedenken nicht im NHS verwendet werden. Sie saßen nicht richtig und schützten daher nicht ausreichend.
Die Verwendung von 10 Millionen sterilen OP-Mänteln für das NHS-Personal wurde wegen unzulässiger Verpackung ausgesetzt, da sie den britischen Sterilisationsstands nicht entsprach. Die Kittel waren, wie bereits oben erwähnt, für £ 70 Milliarden von der US-Firma „Saiger LLC“ gekauft worden, was der spanische Geschäftsmann Gabriel Gonzales Andersson vermittelt hatte.
Millionen von sterilen medizinischen Kitteln, die für den NHS für £ 122 Millionen von „PPE Medpro“ gekauft worden waren, wurden nie verwendet, da sie nicht den britischen Standards für die Sterilisation von Medizinprodukten entsprachen. „PPE Medpro“ war erst im Mai 2020 gegründet worden und es ist daher völlig schleierhaft, woher das Vertrauen der Regierung in dieses Unternehmen kam.
Eine Million hochwertiger Masken, die von „Polyco Healthline“ geliefert worden waren, konnten im NHS nicht verwendet werden, da sie nicht den richtigen Sicherheitsstandards entsprachen. Das Unternehmen musste eine Rückrufaktion durchführen.
PPE-Isolieranzüge im Wert von £ 32 Millionen, von „PestFix“ bezogen, lagerten monatelang in einem Versorgungslager des NHS und warteten auf eine Sicherheitsbewertung. Die Gesundheits- und Sicherheitsbehörde (Health and Safety Executive, HSE) stellte fest, dass diese Anzüge nicht dem britischen Standard für die Verwendung in Krankenhäusern entsprachen. Beunruhigend ist die Aussage der HSE, dass sie von politischer Seite unter Druck gesetzt worden sei, die Anzüge durch das Qualitätsprüfungsverfahren zu bringen und die Verwendung zu genehmigen. Auf das Testen nach korrekten Standards hat man von politischer Seite offenbar keinen großen Wert gelegt.
Alex Bourne, der in der Nähe des ursprünglichen Wahlkreises von Ex-Gesundheitsminister Matt Hancocks eine Kneipe betreibt, erhielt während der Pandemie einen £ 30-Millionen-Auftrag für die Herstellung medizinischer Röhrchen, obwohl er keine Erfahrung in der Herstellung medizinischer Güter hatte. Aber dennoch kam er zum Zug. Bourne hatte der Regierung seine Dienste über eine persönliche WhatsApp-Nachricht an den Gesundheitsminister angeboten. Ein konventioneller Weg, wenn man miteinander gut bekannt ist. Ein unkonventioneller Weg, wenn es sich um Staatsaufträge handelt. Sein Unternehmen „Hinpack“ stellte Plastikbecher und Mitnahmeboxen für die Gastronomie her, bis es 2019 wegen Insolvenz geschlossen wurde. Offenbar war es Bourne gelungen, die Beamten des Gesundheitsministeriums davon zu überzeugen, dass er in der Lage sei, zig Millionen sterile Reagenzgläser zu liefern. Im Zuge des Covid-Test-Programms waren Reagenzgläser wichtige medizinische Produkte. Bei einer Qualitätsprüfung von 11.000 Reagenzgläsern von „Hinpack“ durch das Gesundheitsministerium wurde jedoch festgestellt, dass alle 11.000 Reagenzgläser fehlerhaft waren. Sie wiesen entweder Risse, Brüche oder Kratzer auf oder die Deckel fehlten oder waren schlecht verschraubt. Nach den Kontrollen war Alex Bourne gezwungen, mindestens 8 Millionen Reagenzgläser zurückzurufen. Da sie den Drucktest nicht bestanden hatten, konnte ihre Dichtigkeit nicht garantiert werden. Die britische Gesundheitsbehörde MHRA (Medicines and Health Care Products Regulatory Agency) ermittelt gegen das Unternehmen.
Quellen: Covid-Verträge und Vorwürfe der „Vetternwirtschaft“, BBC 20. April 2021
Was nützt es, wenn in aller Eile unter dem Vorwand der Dringlichkeit Aufträge in einer Notlage an die nächstbesten Freunde und Bekannten vergeben werden, wenn dann die Produkte mangelhaft oder unbrauchbar sind? Von der Verschwendung von Steuergeldern ganz zu schweigen.
Ausweitung der Dringlichkeitsvergabe auf Dienstleistungen
Medizinische Produkte in einer Pandemie zu beschaffen, hat eine gewisse Dringlichkeit. Das ist unstrittig. Dass die verantwortliche Regierung einen bürokratischen Ausschreibungsprozess in so einer Situation vermeiden möchte, ist nachvollziehbar. Dass dabei Fehler passieren, muss dennoch untersucht, verantwortet und sanktioniert werden. Und dass diese Ausnahmepraxis auch ohne Notfall zum üblichen Vorgehen wird, ist eine große Gefahr. Das Vereinigte Königreich ist aufgrund seiner elitären klüngelhaften Politiker der Tories dafür prädestiniert, diese Gefahr als Chance umzuinterpretieren. In der Tat wurden von der gesamten Regierung Covid bezogene Wettbewerbe und Ausschreibungen effektiv ausgesetzt. Minister hatten grünes Licht, Verträge direkt zu vergeben. Folglich gab es kaum Transparenz, auf welcher Basis Verträge vergeben wurden.
Diese Vergabepraxis und die daraus resultierende Intransparenz war auch im Dienstleistungs- und Kommunikationssektor zu beobachten.
Vier der Unternehmen, die ohne breitere Ausschreibung Beraterverträge erhalten konnten, haben Verbindungen zur konservativen Regierung, zur konservativen Partei (Tory) oder zur Vote Leave-Kampagne, die Boris Johnson bei der Durchführung des Brexit unterstützt hat. Wie kam es dazu?
Kurz bevor der erste Lockdown angekündigt wurde, im März 2020, führte Lee Chain, Boris Johnson’s Leiter des Kommunikationsbüros, einen Videocall mit einigen PR-Beratern durch, um zu diskutieren, wie die Botschaft der Regierung zur Pandemiebewältigung pointierter vermittelt werden könnte.
Die Zoom-Teilnehmer waren Weggefährten Boris Johnsons, die ihn bereits während der Brexit- Kampagne und bei der anschließenden Wahlkampagne unterstützt hatten. Sie kannten sich und vertrauten einander, da sie bereits erfolgreich zusammengearbeitet hatten. Es ist durchaus verständlich, dass der Premierminister von dieser Expertise Gebrauch machen wollte. Michael Goves Kabinettbüro hat sie unter Vertrag genommen und großzügig bezahlt, jedoch ohne öffentlichen Ausschreibungsprozess.
Die Frage ist aber, ob ein ganzes Volk bzw. das ganze Land die subjektiven Kriterien eines Premierministers, einer Regierungsclique einfach akzeptieren muss. Wo bleiben da objektive Kriterien, Vergleiche mit Wettbewerbern, Einbeziehung anderer Perspektiven, Kostentransparenz….?
Schauen wir uns die Beratungsunternehmen an, die mit Aufträgen, warum auch immer, beglückt wurden:
„Public First“, ein Politikberatungsunternehmen, wurde von Michael Goves Kabinettsbüro beauftragt, die öffentliche Meinung über die Covid-Kommunikation der Regierung zu erforschen. Über £ 1 Mio. wurde dafür bereitgestellt. Die Eigentümer des Unternehmens (James Frayne und Rachel Wolf) stehen in enger Verbindung zu maßgeblichen Personen der Tory-Regierung. James Frayne ist ein politischer Mitstreiter von Dominic Cummings, Rachel Wolf unterstützte Michael Gove bei der Abfassung des Manifests der Konservativen Partei für die letzten Wahlen.
„Hanbury Strategy“, ein Politik- und Lobbying-Beratungsunternehmen, erhielt £ 648.000 vom Kabinettsbüro für die Erforschung von Einstellungen und Verhaltensweisen der Öffentlichkeit. Dazu sollten wöchentliche Umfragen durchgeführt werden. Der Mitbegründer dieses Unternehmens, Paul Stephenson, war Kommunikationsdirektor der Vote Leave Kampagne und hatte eng mit Dominic Cummings, Boris Johnson‘s speziellem Berater, zusammengearbeitet.
„Topham Guerin“, ein Unternehmen für politische Kommunikation, erhielt einen £ 3-Millionen-Vertrag für die Präzisierung der Covid-Botschaften der Regierung. Die beiden Direktoren, Sean Topham und Ben Guerin, hatten in der Vergangenheit die Social-Media-Kommunikation für die Wahlkampagne 2019 der konservativen Partei übernommen.
„Faculty Science Ltd“, ein Unternehmen für künstliche Intelligenz und Datenanalyse, erhielt ebenfalls eine Reihe von Regierungsaufträgen. Das Unternehmen hatte ebenfalls mit Vote Leave zusammengearbeitet. Nachdem Boris Johnson Premierminister geworden war, wurde ein Mitarbeiter von „Faculty Science Ltd“, Ben Warner, von Dominic Cummings als Datenexperte in der Downing Street (Sitz der Regierung) eingestellt. Während des Wahlkampfs 2019 hatte Ben Warner Datenmodellierung für die Konservative Partei betrieben. Als Regierungsberater nahm er auch regelmäßig an den SAGE-Meetings teil. Warners Bruder Marc ist Geschäftsführer von „Faculty Science Ltd.“ und ebenfalls ein enger Freund von Dominic Cummings. „Faculty Science Ltd“ erhielt im Rahmen der Pandemie-Notfallverordnung verschiedene Verträge von diversen Ministerien (z. B. einen Vertrag über £ 400 000 von dem Ministerium für Wohnungsbau, Kommunen und Kommunalverwaltung; £ 350 000 von dem Ministerium für Wirtschaft, Energie und Industriestrategie). Zusätzlich wurde ein Vertrag in Höhe von £ 930.000 mit dem Ministerium für Gesundheit und Soziales (DHSC) abgeschlossen, für Arbeiten zur künstliche Intelligenz für NHSX, den digitalen Zweig des NHS. Dieser Vertrag wurde allerdings, wie die Fakultät betont, nach einem Ausschreibungsverfahren vergeben.
Source: https://www.theguardian.com/world/2020/nov/15/chumocracy-covid-revealed-shape-tory-establishment
Zweifelhafte Vergabekriterien für erfolgskritische Logistik
Von März 2020 bis November 2020 hat die britische Regierung Covid-Beratungsaufträge im Wert von mehr als £ 100 Millionen, beispielsweise für Arbeiten am Test-and-Trace-Programm, erteilt. Verschiedene Ministerien haben alleine von März bis August 2020 mehr als £56 Millionen zur Bewältigung der Pandemie an verschiedene Beratungsunternehmen vergeben. Die Firmen wurden angeheuert, um u.a. am Track und Trace System zu arbeiten, den Kauf der PPE-Ausrüstung und die Produktion von Ventilatoren zu managen. Nahezu alle Verträge wurden vergeben, ohne anderen Firmen eine Chance zu geben, sich ebenfalls zu bewerben.
Ende März 2020 heuerte das Kabinettsbüro die Rechnungsprüfungsfirma „Deloitte“ an, um einen Krisenstab zur Beschaffung von PPE-Masken zu leiten.
Was qualifiziert eine Rechnungsprüfungsfirma für so einen Auftrag? Diese Frage lässt sich nur beantworten, wenn man berücksichtigt, dass die Parlamentarierin für die konservative Partei und Staatsministerin Chloe Smith (in 2020 im Ministerum für Verfassung und Devolution) vor ihrer Politikerkarriere Beraterin bei Deloitte war.
Deloitte erhielt Verträge in Höhe von mindestens £ 8 Mio von vier Ministerien. Die Firma wurde angeheuert, um ein Netzwerk von Drive-through Schnelltestzentren zu entwickeln, die das Rückgrat der Corona-Test-Strategie zur Pandemiebekämpfung der Regierung sein sollte. Deloitte wurde auch engagiert, um bei der Ausführung des Test-and-Trace-Programms mitzuarbeiten. Dafür heuerte Deloitte 1000 weitere externe Berater an, inclusive 40 der Boston Consultancy Group, die teilweise £ 6250 pro Tag an Honorar kassieren.
Der größte Gewinner des gescheiterten Test-and-Trace-Programms ist das umstrittene Unternehmen „Serco”, ein Logistikriese, der unter anderem den Großteil der englischen Gefängnis- und Bewährungsdienste verwaltet. Serco hat für seine Mitwirkung am Test-and-Trace-Programm schätzungsweise £ 410 Millionen erhalten. Da Serco mit der Materie der Logistik und Gestaltung von Rückverfolgung nur wenig vertraut ist, vergab es die Aufträge an Subunternehmen seiner Wahl.
Die Frage stellt sich, warum hat denn nun Serco den Auftrag bekommen, obwohl die Firma offensichtlich auch nach eigener Einschätzung nicht ausreichend mit der Track und Trace Materie vertraut ist?
Ganz einfach: Der Minister für Gesundheit im Ministerium für Gesundheit und Soziales, Edward Argar, war Serco-Lobbyist, bevor er Minister wurde. Doch laut Regierungsquellen war er nicht an der Vertragsvergabe beteiligt, was schwer zu glauben ist.
Skandalös ist auf jeden Fall, dass sich Serco und das Gesundheitsministerium weigern, die Namen der mehr als 30 Vermittler preiszugeben, die zwischen 9500 und 10500 Personen zur Kontaktverfolgung angeheuert haben. Viele dieser als Selbständige arbeitenden haben einen Zero Stunden Vertrag und kein garantiertes Einkommen. Sie klagen über schlechtes Training und wenig Aufträge. Die meisten kontaktieren telefonisch von zu Hause betroffene Personen, die mit Infizierten Kontakt hatten. Ein Mitarbeiter beklagte sich darüber, dass er innerhalb von 5 Monaten nur zwei Telefongespräche mit zu Kontaktierenden hatte. Das ist in der Tat verwunderlich. Nach Vorgaben von SAGE, der wissenschaftlichen Beratungsgruppe der Regierung, kann das Virus nur eingedämmt werden, wenn mindest 80 Prozent der Kontakte einer infizierten Person innerhalb von 48 Stunden erreicht werden. – Diesen Anforderungen wurde das Test-and Trace-System nicht einmal annähernd gerecht.
Leider hat das Gesundheitsministerium versäumt, eine Strafklausel in den Vertrag mit Serco einzusetzen. Misserfolg schmälert also Sercos Gewinne aus diesem Auftrag nicht.
Das erfolgskritische Regierungs-Projekt der Pandemiebekämpfung hingegen muss als gescheitert betrachtet werden. Es haben viele daran verdient, nur nicht die Bürgerinnen und Bürger des Vereinigten Königreichs.
Dabei hätte die Regierung es besser wissen müssen, denn beide Firmen, Serco und Deloitte, sind wegen Fehlverhaltens in der Handhabung von Regierungsaufträgen bereits hinlänglich bekannt.
Serco Geografix, eine Tochterfirma von Serco, wurde vom Amt für Betrugsbekämpfung mit einer Geldstrafe in Höhe von £ 19.2 Mio plus Kosten des Verfahrens belegt. Das Justizministeriums, das Opfer des Betrugs war, war von der Mutterfirma Serco bereits im Rahmen eines zivilrechtlichen Vergleichs im Jahr 2013 in Höhe von £ 70 Mio. entschädigt worden. Damit musste Serco Geografix also die Verantwortung für drei Betrugsdelikte und zwei Fälle von falscher Rechnungslegung im Zusammenhang mit der Erbringung elektronischer Überwachungsdienste übernehmen. Die betrügerische Absicht zeigt sich besonders deutlich darin, dass Serco seine Leistungen auch für Straftäter in Rechnung gestellt hat, die bereits verstorben waren.
Deloitte wurde vom Rat für Finanzberichterstattung wegen der lückenhaften Prüfung der Jahresabschlüsse der Serco Tochtergesellschaft Serco Geografix Limited für die Jahre 2011 und 2012 mit einer Geldstrafe in Höhe von £ 4.2 Mio. plus Verfahrenskosten verurteilt und mit einem strengen Verweis belegt. Deloitte, so der Rat, hatte es versäumt im Einklang mit den Prinzipien der beruflichen Kompetenz und der gebotenen Sorgfalt zu handeln.
Quelle: The accountant online. https://www.theaccountant-online.com/news/newsdeloitte-fined-42m-over-audit-of-serco-geografix-sfo-fines-serco-192m-7290192/
Quelle: https://www.theguardian.com/world/2020/nov/15/chumocracy-covid-revealed-shape-tory-establishment
Es klingt fast zynisch, wenn man sich vor diesem Hintergrund daran erinnert, dass die Dringlichkeitsvergabe durch die Regierung mit dem Argument der jahrelangen vertrauensvollen Zusammenarbeit gerechtfertigt wurde.
Im Rahmen der Fast-Track-Verordnungen (Dringlichkeitsverfahren) wurden auch private Unternehmen mit der Durchführung von Covid-Tests, der Bereitstellung von Lebensmittelpaketen und der Ausstattung von Schulen beauftragt, ohne dass ein Ausschreibungsverfahren durchgeführt worden wäre.
So vergab das Bildungsministerium beispielsweise einen Vertrag im Wert von £ 234 Millionen an das französische Unternehmen „Edenred“, das Millionen von Schülern, die Anspruch auf kostenlose Schulmahlzeiten haben, mit Lebensmitteln versorgen sollte. Angesichts des Brexit-Slogans „Britain first“ erscheint eine Vergabe an eine französische Firma etwas schräg. Aber unabhängig davon beschwerten sich viele Kinder und Eltern über die schlechte Qualität des Essens und über zu kleine Portionen.
Die Unternehmen „BFS Group“ und „Brake Bros“ erhielten im Direktverfahren vom Ministerium für Umwelt, Ernährung und ländliche Angelegenheiten einen Auftrag im Gesamtwert von £ 208 Millionen für die Lieferung von Lebensmittelpaketen an bedürftige Menschen, die sich abschirmen und selbst isolieren mussten.
Ebenfalls ohne Ausschreibung und Wettbewerb erhielt „Computacenter“ vom Bildungsministerium einen Vertrag über £ 60 Mio. für die Bereitstellung von Computern für Lehrer, die mit benachteiligten Kindern arbeiten. Die Liste könnte noch lange fortgesetzt werden.
Weitere Informationen finden Sie unter:
Bemerkenswert ist: Wie und warum all diese Unternehmen an ihre Aufträge gelangten, weiß weder das Parlament noch die Öffentlichkeit des Vereinigten Königreichs.
Tatsächlich eine Chumocracy (sprich: Kumpelherrschaft)
Diese Beispiele zeigen einen weit verbreiteten Machtmissbrauch durch die Regierung während der Pandemie. Es ist übel und moralisch verwerflich, Freunde und Spender unter Umgehung des Ausschreibungsgebotes mit lukrativen Aufträgen zu versorgen mit dem einzigen Argument, dass dies der aktuelle Notstand gebiete. Doch es ist nicht so leicht nachzuweisen, dass dem so ist.
Das National Audit Office, der Nationale Rechnungshof, der die finanzielle Integrität und das Preis-Leistungs-Verhältnis von Regierungsausgaben prüft, hat Beweise dafür gefunden, dass Unternehmen mit politischen Verbindungen zu den Tories bei der Vergabe von PPE- Verträgen bevorzugt wurden. Aber die Aufsichtsbehörde weigerte sich, die Liste der 493 Auftragnehmer in der VIP-Spur zu veröffentlichen, nachdem das Gesundheitsministerium und das Kabinettsbüro die Freigabe der Namen blockiert hatten. Das National Audit Office argumentierte, dass die Freigabe dieser Information der Beziehung zwischen dem Nationalen Rechnungshof und der Regierung schaden würde.
Jolyon Maugham, Direktor des Good Law Projects, einer von Spenden finanzierte Kampagnengruppe, die das Ausgabeverhalten der Regierung gerichtlich anficht, kommentierte treffend: „Es ist sehr beunruhigend, wenn der Nationale Rechnungshof – eine Einrichtung, die sicherstellen soll, dass öffentliche Gelder ordnungsgemäß ausgegeben werden – seine Rolle davon abhängig macht, dass er ein gutes Verhältnis zu denjenigen hat, die die Ausgaben tätigen. Wie können wir darauf vertrauen, dass er Missstände aufdeckt, wenn er dies nur mit Zustimmung tut?“
MPs, Journalisten und Kampaigner haben monatelang versucht, diese Liste mit den Firmennamen zu bekommen und beschuldigten die Regierung der Vetternwirtschaft.
Das Good Law Project versucht seit Januar 2021 unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz, diese Information zu erhalten. Endlich entschied das Informationgeschäftsführungsbüro am 18. Oktober 2021, dass die Regierung diese Information zur Verfügung stellen und die Namen der Firmen, die VIP-Zugang zu Multimillionen Pfund schweren PPE-Verträgen erhielten, enthüllen muss.
Dies geschieht seither recht zögerlich und nur bröckchenweise. Eine äußerst unbefriedigende Informationspolitik!
Die Mitarbeiter des Good Law Projekts stellen auch die anhaltende Nutzung privater E-Mails und Messaging-Apps allen voran durch den Premier, den ehemaligen Gesundheitsminister Matt Hancock, Lord Bethell und andere hochrangige Entscheidungsträger infrage. Sie argumentieren, dass dies genau den Kern ihres Kampfes um mehr Transparenz in der Entscheidungsfindung der Regierung trifft. Die Abwicklung von Regierungsgeschäften außerhalb der offiziellen Kanäle verstoße nicht nur gegen die gesetzliche Verpflichtung der Minister, offizielle Aufzeichnungen, auch über wichtige Entscheidungen, aufzubewahren, sondern untergrabe zusätzlich ernsthaft ihre Möglichkeit den Offenlegungspflichten nachzukommen, wozu sie nach dem Gesetz der Informationsfreiheit verpflichtet sind.
In einem von mehreren Prozessen, in denen das Good Law Project die Regierung zur Rechenschaft zieht, entschied ein Richter, dass das Gesundheitsministerium gegen seine gesetzliche Verpflichtung verstoßen hatte, indem es die Einzelheiten der Verträge nicht innerhalb von 30 Tagen nach Vertragsunterzeichnung veröffentlicht hatte. Korruption und Vetternwirtschaft konnten nicht eindeutig juristisch nachgewiesen werden.
Die Regierung verteidigte ihr Vorgehen damit, dass die Verträge rechtens seien und die Aussetzung des Wettbewerbsverfahrens wegen der gesundheitlichen Notfallsituation gerechtfertigt sei. Matt Hancock, der damalige Gesundheitsminister, erklärte in der Andrew Marr TV Show, es sei ihm egal, dass er gegen das Gesetz verstoßen habe, und führte das Totschlagargument an, er habe damit Leben gerettet.
Wie jedoch etliche der angeführten Beispiele zeigen, waren doch einige Missgriffe darunter, die garantiert kein Leben gerettet haben. Es waren auch Aufträge darunter, die durch ein Vergabeverfahren oder einen gewissen Wettbewerb keine Leben gekostet hätten. Es scheint vielmehr so, dass die politischen Entscheidungsträger der Tories sich gern der Kontrolle der Öffentlichkeit entziehen, Geschäfte gern unter sich ausmachen und Misserfolge locker aussitzen, da meist die Bürger des Landes die Leidtragenden sind.
Diese Vorgehensweise in der Pandemie ist unethisch, aber nicht illega
Es ist unglaublich, dass die Regierung mit ihrem offensichtliches Fehlverhalten und der Kumpelwirtschaft ungestraft davonkommt.
Doch die Sysiphus-Arbeit des Good Law Projects geht weiter. Zudem sind immer mehr Menschen im Vereinigten Königreich verärgert, frustriert, aufgebracht und wehren sich gegen das elitäre, selbstherrliche Gebahren dieser Regierungsvertreter.
(LL)
Weitere Analysen zu diesem Thema:
In anderen Beiträgen befasse ich mich mit weiteren Phänomenen, die im Zuge der Krise zutage traten:
Comments