Das Versagen der politischen Elite im Vereinten Königreich im Umgang mit Covid (1)
- lisaluger
- 20. Nov. 2022
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 5. Juni 2023
(UK) Seit mehr als 25 Jahren lebe ich als Deutsche sehr gern in England, genauer gesagt in London. Ich habe hier Gesundheitswissenschaften (Public Health) studiert, Evaluierungen im Gesundheitssystem durchgeführt, an der Universität Fachkräfte im Gesundheitssektor aus- und weitergebildet, einen Engländer geheiratet, mich gemeinsam mit ihm ehrenamtlich sozial engagiert und aufmerksam die gesellschaftliche und politische Entwicklung verfolgt und unsere Meinung kund getan.
In den letzten Jahren mussten wir hilflos mit ansehen, wie dieses Land sich verändert hat. Das Vereinigte Königreich, immer schon bekannt für Exzentriker wie die königliche Familie, den Geschäftsmann mit Bowler Hut und Regenschirm, aber auch für extrem reiche, konservative und einflussreiche Menschen, ist, anders als Deutschland, ein Land mit ausgeprägtem Standesdünkel und einer tiefen Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen Gebildeten und Ungebildeten.
Vertreter der wohlhabenden Elite nehmen zunehmend Einfluss auf Politiker und Politik des Landes
In den letzten Jahren haben Vertreter dieser wohlhabenden einflussreichen Elite mehr und mehr Einfluss auf Politiker und damit auf die Politik des Landes ausgeübt. Und das nicht unbedingt zum Nutzen der Gesamtgesellschaft.

Der Brexit ist nur ein Beispiel dafür, wie weite Teile der Bevölkerung aus fadenscheinigen Profilierungsgründen mit dreisten Lügen und Parolen indoktriniert wurden, ihren Realitätssinn auszuschalten und für den Brexit zu stimmen. Das Ergebnis erleben wir gerade jetzt, im Herbst 2021. Leere Supermarktregale, Tankstellen ohne Benzin, massenhafte Notschlachtungen von Schweinen, wegschütten von Milch in rauen Mengen und dergleichen mehr! Warum? Es fehlen Fachkräfte wie Lastwagenfahrer und Arbeitskräfte der verarbeitenden Lebensmittelindustrie sowie des Dienstleistungssektors aus der EU, die jahrelang im Vereinigten Königreich tätig waren und dann aufgrund des Brexit das Vereinigte Königreich verlassen mussten.
Zum Brexit gäbe es noch viel zu sagen, aber das ist ein anderes Thema. In diesem Beitrag will ich mich mit der Covid-19-Krise und dem Umgang der politischen Elite damit beschäftigen.
Die Regierung der Multimillionäre hat keine Ahnung was ein Liter Milch oder ein Laib Brot kostet
Unsere derzeitige konservative Regierung wird nicht umsonst die Regierung der Multimillionäre genannt, die keine Ahnung haben, wieviel ein Liter Milch oder ein Laib Brot kostet. Beim genauen Hinschauen stellt sich heraus, dass die meisten Kabinettsmitglieder eine Erziehung an hoch angesehenen und sehr teueren Privatschulen genossen haben, viele in Eton. Die meisten studierten dann an den renommierten Universitäten von Oxford und Cambridge. Man kennt sich also seit Jahrzehnten, ist freundschaftlich, wirtschaftlich und manchmal familiär miteinander verbunden. Hinzu kommt, dass die derzeitigen Kabinettsmitglieder im Hinblick auf ihre Loyalität gegenüber dem Premierminister Boris Johnson und dessen Brexit-Ambitionen ausgewählt wurden. Spezielle Kompetenzen, Kenntnisse, Erfahrungen und Innovationsfähigkeit, die in der Regierungsarbeit gebraucht werden, waren wohl kein Auswahlkriterium, wie die Leistungsbilanz zeigt.
In den Corona-Jahren 2020/21 wurde, verstärkt durch den Brexit, wie nie zuvor deutlich, dass Eliten definitiv nicht die geeigneten Volks- und Regierungsvertreter in einer Krise sind. Ihre anerzogene Grundhaltung ist zutiefst undemokratisch, das Gleichheitsprinzip kommt in ihrer Sozialisation nur bedingt vor.
Es gibt im Lateinischen eine Redewendung, die das elitäre Selbstverständnis auf den Punkt bringt. „Quod licet jovi non licet bovi.“ Übersetzt bedeutet das,
„Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen nicht erlaubt.“
Diese elitäre Haltung der Abgehobenheit und der Überlegenheit einer bestimmten Schicht hat mich immer schon genervt, aber in der Covid-Krise hat sie aufgrund von damit einhergehender Inkompetenz und Realitätsferne Menschenleben und Existenzen gekostet.
Damit die Erinnerung an das Versagen der politischen Elite im Vereinigten Königreich nicht verloren geht, habe ich monatelang in öffentlich zugänglichen Quellen recherchiert und nicht meiner Wut, meinem Frust und meiner Hilflosigkeit emotional in Form von schimpfen und zetern nachgegeben, sondern den sachlichen, faktenbasierten Hintergrund aufgeschrieben.
Die Verantwortungslosigkeit und auch die Inkompetenz der regierenden Elite in dieser Krise soll nicht in Vergessenheit geraten. Dafür möchte ich hier sorgen.
Ich versuche das Versagen der elitären Regierung im Umgang mit Covid anhand von Beispielen zu dokumentieren. Dabei ist es mir wichtig, das Stereotype des elitären Handelns sichtbar zu machen. Meine Analyse ist in verschiedene Bereiche aufgeteilt, und umfasst:
Ein Beispiel für den physischen Ausdruck von Arroganz, Anspruchsdenken, Respektlosigkeit und Verachtung des Parlaments:
Jacob Rees-Mogg, Vorsitzender des Unterhauses, relaxed über drei Sitze ausgestreckt während einer Dringlichkeitsdebatte im Parlament zum Thema Brexit am 3. September 2019 vor einer entscheidenden Abstimmung.
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